Review

George Clanton & Nick Hexum

George Clanton & Nick Hexum

100% Electronica • 2020

George Clanton, der Vapor-Daddy, hat mit Nick Hexum, seinem geistigen Vater, eine Platte gemacht. Wer den einen kennt, dürfte vom anderen noch nie gehört haben. Was also soll die Sache? Crossover-Gejaule, bei dem sich Marketinggurus die Finger abschlecken? Oder doch nur der Schrei nach Nostalgie vom Alternative-Rock-Burn-out? George Clanton hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er für 311, der Hausband von Nick Hexum, einen besonders kuschligen Platz in seinem Retro-Herzen reserviert hat. Man habe sich am Konzert getroffen, ein bisschen gefüßelt und gleich die Flitterwochen im Studio verbracht. Kleiner Scherz am Rande. Aber bei so viel gegenseitigem Blickgeficke dürfen ruhig rote Rosen blühen. Kein Wunder, dass die Platte klingt, als hätten Bilderbuch und Ariel Pink ein uneheliches Kind gezeugt, mit Rotwein, Snickers-Riegeln und alten Coca Cola-Werbungen aufgezogen, um es den Geistern aus der Bravo Hits 90er an den Hals zu hängen. Natürlich, will man in den Vocoder brüllen. Das ist das Metier von Clanton, der mit Nick Hexum gerade jenen Boomer hinter den Mikroständer geklemmt hat, der mit 311 wahrscheinlich länger auf der Bühne rumeiert als alle Vaporwave-Kids mit ihrer gecrackten Ableton-Software an Filterkurven rumschrauben. Hexum kennt die Achtziger nicht nur aus drei Staffeln Stranger Things, sondern war wirklich dort. Mit dem 100% Electronica-Chefvapouristen slidet er auf einer nostalgischen Skate-Rail Richtung kollektiver Vergangenheits-Ekstase, packt unterwegs das Snake-Board aus und ballert mit der Panflöte im Rap-Anschlag (»Crash Pad«) volle Panier gegen die Hauntology-Wand. Ersthilfe für Erstrapper, weil: for real! Der Typ, der vor gefühlt 500 Jahren zu Reggae-Schmonzetten über Nicole Scherzinger gejodelt hat (»Amber«), schenkert hier die ärgsten Doubletimes nach 8 Miles für Weißbrote raus. Immerhin: Die Always-Sunny-in-California-Flagge (»Driving in my Car«) schwingt schon wieder auf halbmast, da kurbelt George Clanton mit »Topanga« einen bügelfreien Sommerhit für die Top 40 auf den Balearen raus. Macht Spaß, das Ding!