Review

Heterotic

Love & Devotion

Planet µ • 2013

Die Faszination für die 1980er Jahre, die längst zur verklärten Heiligsprechung mutiert ist, hat womöglich viel mit dem zu tun, was Nick Talbot (von Gravenhurst) über unser Gedächtnis zu erzählen hat. Auf »Love & Devotion«, dem ersten gemeinsamen Album von Mike Paradinas (alias µ-Ziq) und seiner Frau Lara Rix-Martin, manifestiert Talbot diese Gedanken über eine verwischte Vergangenheit passenderweise auch auf der Hälfte der sehr in den 1980er Jahren steckenden Musikstücke. Die offensichtliche Nostalgie des Albums brachte Talbot die vielleicht auch etwas erschreckende Erkenntnis der »Zerbrechlichtkeit der Erinnerungen, der Idee des unzuverlässigen Erzählers und wie häufig wir eigentlich die Leerstellen ausfüllen und die Vergangenheit idealisieren.« Musikalisch betrachtet waren die späten 1980er und frühen 1990er Jahre den acht Stücken auf »Love & Devotion« zufolge eine wankelmütige Mischung aus Melancholie, Euphorie und Liebeskummer, die allesamt von einer weltvereinenden Wärme und Weichheit ummantelt waren. Paradinas und Rix-Martin evozieren die schönsten Momente zwischen Ambient House, Pop, Piano House und Vangelis-Soundtracks. Mit dem Melodienreichtum, den Mike Paradinas seit seinen frühesten Zeiten als µ-Ziq in aller Verspieltheit zelebriert, ist »Love & Devotion« ein bittersüßes Album geworden, das über längere Strecken jedoch zu nostalgisch und verklärt sehnsüchtig wirkt, um nicht den blassen Retro-Stempel aufgedrückt zu bekommen. Die Simplizität von 808-Drums mag immer noch berauschend wirken, kann über eine gewissen Körperlosigkeit aber auch nicht mehr hinwegtäuschen. Und die Hornsektionen aus dem alten Synthesizer haben längst bessere Tage gesehen. Diese fehlenden Erinnerungen werden ausgeblendet, umgedeutet und dennoch neugeschrieben, als wären es die 1980er Jahre ohne Margaret Thatcher. Talbot puffert dies mit seinen Texten ein wenig ab und spickt die Kulisse mit Rissen. Vielleicht hätte sich Heterotic ein wenig mehr an die Worte Talbots halten sollen. »Unsere Identität ist völlig abhängig von unseren Erinnerungen. Da unsere Erinnerungen aber nachweislich unzuverlässig sind, müssen wir akzeptieren, dass wir als Menschen unvollständig sind. Das ist ein sehr melancholischer Gedanke, aber es bedeutet schlicht, dass wir die Gegenwart umarmen müssen, denn diese ist die einzige verlässliche Dimension.«

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