Review

Jac Berrocal

Boîte Boîte

Akuphone • 2024

Er ist ein begnadeter Trompeter, Improvisator, Komponist und seit den 1970er Jahren in den avantgardistischen Sphären des französischen Undergrounds zu Hause: Jac Berrocal. Seine jüngste Veröffentlichung »Boîte Boîte« ist nicht nur eine kühne Expedition in die Tiefen seines musikalischen Repertoires, sondern auch eine wilde interkontinentale Reise, die sich mit ernsten gesellschaftskritischen Themen auseinandersetzt.

Sie beginnt mit einem intensiven, helikopterähnlichen Geräusch im Song »Goum«, der die Geschichte eines französisch-nordafrikanischen Kolonialsoldaten erzählt. Dann wird man in »Fruh in Berlin« 46 Sekunden lang mit einem schrillen Schienenquietschen konfrontiert oder in »Zwischen Shaan Und Bender« ohne Vorwarnung von einer lauten Polizeisirene überrollt, die in ein jazziges Trompetensolo mündet.

Einerseits enthält das Album dubbige Kompositionen wie »Amarena« und endet mit einer überraschend friedlichen Jazz-Klaviermelodie in »Ambassade d’Angel«. Andererseits beschwören Stücke wie »Inca D’enfance« eine so bedrohliche Stimmung herauf, dass es einem kalt den Rücken herunterläuft. Sollte sich Jac Berrocal in diesem Stück jedoch auf das Capacocha-Opfer der Inkas bezogen haben, so hat er die Stimmung perfekt eingefangen.

Dass das Konglomerat aus Jazz Noir, experimentellem Noise und melodisch-elektronischen Polyrythmen auch seltene und bisher unveröffentlichte Tracks enthält, macht es besonders spannend. »Boîte Boîte« präsentiert sich als surreale, schräge und sehnsuchtsvolle Sammlung, deren Tiefe sich nicht beim ersten Hören erschließt. Ein Album, mit dem man sich intensiv und geduldig auseinandersetzen muss, um seine wesentliche Bedeutung zu erfassen.