Review Hip-Hop

Jan Wehn & Davide Bortot

Könnt ihr uns hören?

Ullstein Verlag • 2019

Wenn Deutschrappern heute ein »Könnt ihr uns hören?« über die Lippen geht, ist die Frage rhetorisch. Denn Rap, gerade auch deutschsprachiger, ist Volksmusik. Er bestimmt den Sound der Schulhöfe und Charts-Spitzen. In den Jugendzentren zwischen Kiel und Biel ist er inzwischen gar nicht mal mehr so schlecht gemischt. Und selbst in den entlegensten CSU-Wahlkreisen hat sich längst herumgesprochen, wer der Babo ist.

Das war nicht immer so. Als Cora E. anno 1993 mit »Könnt ihr mich hör´n?« selbstbewusst Feedback einforderte, sah das noch ganz anders aus. Mit Rap auf Deutsch war man maximal ein Exot in einer Randgruppe. Wer damals Deutschrap konsumierte, war gleichzeitig Szeneaktivist – oder hat sich zumindest so verstanden. Wobei der Gattungsbegriff Deutschrap eh erst ein paar Jahre später geprägt wurde. Zu der Zeit nämlich, in der es losging, dass Münzen die Bewegung prägten.

Erstaunlich, was sich in den wenigen Jahren Deutschrap so getan hat. Nachlesen kann man das in zig mehr oder weniger gelungener Fachliteratur zum Thema. Zu Büchern gebundene Deutschrap-Berichterstattung, die über die Goldene Ära des Genres gegen Ende der Neunziger hinausreicht, findet man allerdings kaum. Als ob der Millenniumcrash tatsächlich stattgefunden und Deutschrap mitgerissen hätte. Was Quatsch ist. Weil er ja größer ist denn je.

Dass nun also Jan Wehn und Davide Bortot mit »Könnt ihr uns hören?« die Deutschrap-Genese von seinen Kindheitstagen bis ins Heute nachzuzeichnen, ist naheliegend, überfällig und herzlich willkommen. Beide kennen sich aus: Als ehemalige Juice-(Chef-)Redakteure und Träger weiterer fachjournalistischer Würden – Jan Wehn ist All Good-Mitbegründer – sind sie tief in der Materie verankert. Tief genug, um ein All-Star-Cast an Rappern, DJs, Producern und Kollegen aus der Versenkung, aus dem Studio und vom Thron zu holen, um sie für eine »Oral History des deutschen Rap« zusammenzutrommeln. Als eine solche versteht sich »Könnt ihr uns hören?« nämlich, und das nicht grundlos: Das Buch ist eine Zitate-Kompilation, wurde aus zig Interview-Bausteinen zusammengesetzt und lässt so ausschließlich Macher und Bewahrer zu Wort kommen. Leute aus Hip Hops Alter Schule wie Toni L, STF, Rick Ski, Smudo oder Akim Walta über Goldene-Ära-Absolventen wie Max Herre, Eizi Eiz, KKS, Doktor Renz, Melbeatz und David P. bis hin zu Aushängeschildern der Gegenwart wie Bonez MC, Hayiti, RIN, KitschKrieg, Dexter, Fatoni, Morlockk Dilemma und Marteria, sie alle kommen bei Wehn und Bortot zu Wort.

Aufgeteilt in naheliegende Kapitel, die im Sinne einer Chronologie den jeweiligen Zeitgeist der Stunde nachvollziehen, gelingt es »Könnt ihr uns hören?« sehr gut, die Deutschrap-Historie anhand seiner Zeitgenossen in eine stringente Form zu packen. Dass obskure, aber relevante Randerscheinungen wie 88:Komaflash, Xndl, Materpfahl oder Oskar Ohlson übergangen werden und das geschilderte Deutschrapbild daher gerade an seinen Rändern etwas geglättet wird, grämt maximal den Nerd und liegt wohl eh in der Natur der Sache. Daher – und vor allem auch angesichts der Tatsache, dass in dem Buch tatsächlich über 100 Menschen ihre Perspektiven auf deutschen Rap ausbreiten – lässt »Könnt ihr uns hören?« nichts vermissen.