Review

Jim O’Rourke

Shutting Down Here

Portraits GRM • 2020

Für jemanden, dessen Musik sich gemeinhin eine Menge Zeit lässt, legt Jim O’Rourke eine beeindruckende Veröffentlichungsfrequenz an den Tag. Neben zwei Kollaborationsalben – eine mit Brunhild Ferrari, die andere mit François Bonnet alias Kassel Jaeger – hat der in Japan lebende US-Amerikaner in diesem Jahr bereits drei Ausgaben seiner laufenden »Steamroom«-Serie über Bandcamp veröffentlicht. »Shutting Down Here« allerdings stellt einen Spezialfall dar: Als erste Ausgabe der neuen Serie GRM Portraits von Editions Mego und Ina GRM ist als Zusammenfassung einer drei Jahrzehnte anhaltenden Faszination zu verstehen. Anfang der neunziger Jahre besuchte das spätere Gastr-del-Sol-Mitglied erstmals das Studio der Groupe de récherche musicales, in welchem Pierre Schaeffer und andere einst die Grundlagen der musique concrète legten. Die 34-minütige Komposition, welche drei Jahrzehnte nach dieser Stippvisite entstand, steht dann auch eindeutig in der Tradition von GRM als Institution für überambitionierte Musik. Gemeinsam mit Eiko Ishibashi (Klavier), Atsuko Hatano (Violine und Bratsche) sowie Eiving Lonning (Trompete) spannt O’Rourke eine musikalische Bandbreite auf, die von schwurbeligen Elektroniksounds mit Sechziger-Anklang über kreischende Streicher- und quäkende Trompeten-Passagen hin zu ohrenbetäubender Stille reicht. »Shutting Down Here« ist mehr Psychogeografie als Komposition, es wandert haltlos durch die Möglichkeitsräume des GRM und O’Rourkes eigenem Studio. Hier öffnet sich eine Tür in Richtung Noise, dort wieder werden Anklänge an Xenakis oder andere GRM-Alumni laut, zwischendurch furzen die Synthesizer und am Ende steht ein gespenstischer Anklang an loungigen Barjazz. Im Gesamten ergibt das einen merkwürdigen Rundgang durch die Hirnwindungen eines Ausnahmemusikers, dessen Schnellschüsse meistens mehr der Kohärenz verpflichtet sind als diese kleine Werkschau.