Review

KonstruKt & Peter Brötzmann

Dolunay

Karlrecords • 2022

Ursprünglich erschien »Dolunay« 2011, und zwar auf einem kleinen Label namens Re:konstruKt, das auf seiner Discogs-Seite als »Improvised Music Label« bezeichnet wird. Die Improvisateur*innen entstammen mutmaßlich dem türkischen Freie-Musik-Kollektiv konstruKt, das sich 2008 den Free-Jazzer Peter Brötzmann nach Istanbul einlud, um diese sechs extrem fordernden Stücke aufzunehmen. Zur Musik ist schnell alles und nichts gesagt: Brötzmanns assoziatives Saxophonspiel übertüncht das restliche Instrumentarium, wenn es aufmuckt, führt es behände und spielerisch aus Ruhephasen zum Klimax und verliert sich, wenn es denn sein muss, bereitwillig im Chaos, dass konstruKt konstruieren. Alle diese Facetten beherbergt das fast elfminütige »Siyah«, wahrscheinlich das stärkste Stück der Platte. »Kurtlar« hingegen stottert anfangs bewusst, die Schlagzeugkapriolen lassen phasenweise an Marschmusik denken, deren rigiden Charakter Brötzmann, dessen Spiel hier klingt wie ein schreiendes Baby, konterkariert. Vier Mitglieder von konstruKt bedienen Drums, weitere Perkussion, Blasinstrumente und eine Gitarre. Ein Bass fehlt, würde angesichts des Durcheinanders, das auf »Kurtlar« knapp nach der Hälfte losbricht, aber wohl zu viel Schaden anrichten. »Dolunay« ist ein mitreißendes wie schwer verdauliches Vier-gegen-eins, das zwischen Anstrenger-Ambient und freigeistigem Krach pendelt, fein orchestriert von Peter Brötzmanns Saxophon.