Punk stellte die Behauptung auf, dass eigentlich alle alles können. Sie müssen nur wollen. Post-Punk forderte mit Nachdruck, dass dazu alle möglichen Mittel verwendet werden sollten. Die Gruppe Lining Time fügte dem wiederum hinzu, dass auch radikale Reduktion ein adäquates Mittel sei, sich musikalisch zu erweitern. Gegründet wurde sie am Dartington College of Arts im Südwesten Englands von fünf Tanztheater-Studentinnen drei Jahre nach der Machtergreifung Margaret Thatchers und ein halbes Jahrzehnt nach Beginn der feministischen Reclaim-the-Night-Märsche. Der Titel ihres einzigen, im Selbstverlag veröffentlichten Albums »Strike« scheint prophetisch, wenn nicht sogar fatalistisch: Zwei Jahre nach Veröffentlichung der Kassette anno 1982 wurde der britische Bergarbeiterstreik niedergeschlagen und platzten die Träume einer großen Allianz aus Arbeiter*innen mit den feministischen und LGBTQI-Bewegungen. Auf »Strike« ist aber noch der Kampfgeist zu hören, der eben jene politischen Bestrebungen gegen die Neoliberalisierung Großbritanniens angetrieben hatte. »Here I am« lauten nicht ohne Grund die ersten Worte dieses Albums, das vor allem von selbstbewussten Lyrics, das heißt ebenso einfalls- wie abwechslungsreichen Vocal-Performances getragen wird. Denn auch wenn zwischendurch immer wieder getrommelt und/oder auf der Gitarre geschrammelt wird: Im Zentrum steht die Sängerinnen, die bisweilen als Kanon und meistens aber Chor auftreten – soll heißen als Kollektiv. So ist der Ton dann auch mit Ausnahme der großartigen Ballade »To Talk to You« und dem überraschenden Cover des Doo-Wop-Klassiker »Stay (Just a Little Bit Longer)« eher hymnisch und kämpferisch. »Strike« ist damit zweifelsfrei ein Dokument seiner Zeit. Seine (Wieder-)Entdeckung könnte aber auch in der Gegenwart Akzente setzen.
Strike