Review

Luca Yupanqui

Sounds Of The Unborn

Sacred Bones • 2021

Man muss dem Musikerpaar Elizabeth Hart und Iván Diaz Mathé lassen, dass sie ein Gespür für Themen haben. Mit der Ankündigung des ersten Albums einer noch ungeborenen Künstlerin ist ihnen die Aufmerksamkeit der geneigten Öffentlichkeit jedenfalls sicher. Wobei das »Machen« in diesem Fall eine allemal betreute Aktivität war. Denn Hart und Mathé haben die intrauterinen Bewegungen ihrer werdenden Tochter Luca Yupanqui mit „biosonic MIDI technology“ aufgezeichnet. Hart wurde dazu ein Gerät an den Bauch gehalten, das die Aktivität aus dem Inneren als Signale an die Synthesizer von Mathé weiterleitete. Die Klänge, die man auf »Sounds Of The Unborn« hört, sind mithin nicht von der »Albumkünstlerin« ausgesucht, sondern lediglich, ohne ihr eigenes Wissen, ausgelöst worden, und gehen auf künstlerische Entscheidungen von Hart und Mathé zurück. Mit so etwas wie den »Soothing Sounds for Baby« eines Raymond Scott hat das sehr wenig zu tun. Bei ihnen herrschen abstrakt gehaltene, kühl flirrende oder dräuend brodelnde Frequenzen vor, getragen von einem stets neu ansetzenden, an Pulsschlag gemahnenden Rhythmus. Im Ergebnis sehr eigen und mit verstörendem Reiz. Die Frage nach der künstlerischen Urheberschaft lässt sich hingegen schwerer beantworten. Man könnte die Herangehensweise wie bei Field Recordings verstehen, mit dem entscheidenden Unterschied, dass es eben keine Umweltgeräusche sind, die man hört, sondern allenfalls deren Übersetzungen in elektronische Klänge. Die Eltern, die für die musikalische Hardware verantwortlich zeichnen, sind mithin mindestens genauso Künstler wie ihr Kind. Wäre auch interessant zu erfahren, wie Luca Yupanqui über »ihr« Album urteilen wird, wenn sie »Ich« zu sagen gelernt hat. Von ethischen Fragen einmal ganz abgesehen: Handelt es sich bei der Sache womöglich um pränatale Kinderarbeit?