Review

Zola Jesus

Okovi

Sacred Bones • 2017

Zola Jesus stellt ihre gewaltige Stimme in kalte, nebelige Klanglandschaften. Das ist kein pränataler, wohliger, warmer Ocean of Sound, sondern ein Zustand totaler Einsamkeit und Isolation. Die Stimme der Musikerin aus Wisconsin hat etwas Außerweltliches, Unmenschliches, Unzerstörbares. Das größte Problem in ihren Songs liegt darin, dass die Stimme nicht mit der Musik kommuniziert. Da helfen auch die diversen Musikrstile nicht, mit denen die achtundzwanzigjährige bereits gearbeitet hat: Da gibt es die noisigen Soundscapes ihres Debutalbums, den Darkwave von »Stridulum II« den Electro-Pop von »Conatus« das Streichquartett der »Versions« und die avantgardistischen Posaunen und Tubas von »Taiga« für unerschütterliche Stimme scheint die Musik kaum eine Rolle zu spielen.

Mit 28 Jahren veröffentlicht Zola Jesus ihr sechstes Album. Nicht nur diese außergewöhnliche Produktivität macht sie zur Overachieverin, sondern auch der blinde Ehrgeiz, mit dem sie sich durch einen Stil nach dem anderen frisst. Es scheint keinen zeitlichen und sozialen Raum zu geben, in dem ihre Beziehung zur Musik reifen kann, die Alben wirken oft wie abstrakte Masterpläne. Das bedeutet nicht, dass der Schmerz nicht echt ist. Aber sie lässt nicht zu, dass die Klänge zu dessen Resonanzraum werden.

Mit »Taiga« hatte Zola Jesus gehofft, ein breites Publikum zu erreichen. Sie hatte Rihanna-Songs studiert und ein Cover von »Diamonds« veröffentlicht. Die Kultur des Mittleren Westen habe ihr eingeimpft, sich ständig weiterentwickeln und zu einem idealeren Selbst finden zu müssen, sagt sie heute. Das habe ihr das Gefühl gegeben, nicht gut genug zu sein. Vielleicht ist so der Spalt zwischen Stimme und Musik entstanden. Nachdem die Resonanz zu »Taiga« ihre Erwartungen nicht erfüllte, holte sie die Depression wieder ein. Darüber hinaus hat ein guter Freund versucht, sich umzubringen. Bei einem anderen wurde Krebs im Endstadium diagnostiziert. Ihren inneren Frieden fand Zola Jesus wieder, als sie aus Seattle wegzog und sich auf dem Grundstück ihrer Eltern in Wisconsin ein Haus baute. Das Internet ist dort langsam, die nächste Stadt ist eine halbe Autostunde entfernt. Zola Jesus wandert durch die Natur und singt Opernarien, am liebsten »Der Mond« von Carl Orff. So spürte sie zum ersten Mal seit langen wieder eine Notwendigkeit, Musik zu machen. Und tatsächlich passiert auf »Okovi« etwas Neues. Der Schmerz kommuniziert mit der Musik, Zola Jesus wird Erzählerin. Der Schmerz ist nicht mehr bloß Trauma, die Songs ermöglichen, eine Beziehung zu den furchtbaren Erfahrungen zu entwickeln. »Soak« ist der tollste Song auf dem Album: Eine Frau weiß, dass sie ermordet werden wird. Sie definiert ihren Tod als Selbstmord um und macht den Mörder so zu ihrem Handlanger: »Take me to the Water, let me soak in slaughter, I will sink into the bed like a stone«, singt sie.