Review

Malör

Bali

Terz • 2018

Das Lied zur Lage also kommt aus dem Jahr 1985 und wäre das allein nicht schon schlimm genug, klingt es auch noch besser als das meiste, was heute protestieren will. Aber fangen wir von vorne an, das heißt vor fast dreieinhalb Jahrzehnten: Malör gründen sich Anfang der 1980er Jahre als funkiger Nebenarm des Chors Kölner Gewerkschafter. Unter der Leitung von Annegret Keller wurden einerseits die Tradition des klassischen Arbeiterlieds hochgehalten, andererseits neue musikalische Protestformen ausprobiert. 1985 erscheint die erste und einzige Platte mit zehn Songs, die schnell vergessen, dann irgendwo in der Discogs-Sphäre zum Kultklassiker ernannt und schließlich stückchenweise auf YouTube verteilt wird. 2018 hat das hauseigene Label des Kölner Parallel-Plattenladens nun zwei dieser Stücke auf 7″ neu aufgelegt und zum Release-Tag am Record Store Day die Band sogar für ihren ersten Gig seit 1986 auf die Bühne getrommelt. Denn offensichtlich hat sich niemand von denen nach »Bali« verzogen, wie es einer der wenigen durchs Netz kursierende Songs in Aussicht stellt – aber auch gleich die Einsicht hinterherschiebt, dass das Heil unmöglich in der Flucht liegen kann. »Bali« ist ein Song über elitären Eskapismus, aber auch gelebte Solidarität, und packt 2018 damit in kaum mehr als vier Minuten tatsächlich besser den Nerv der Zeit als jedes Zeckenrap-Album es in 45 Minuten vermag. Dass darunter im Übrigen das feinste AOR-Balearen-Funk-Feeling diesseits von Prins Thomas’ Plattenschrank verströmt wird ist da eine genauso große Sahnkirsche wie das kleine »Unsichere Lied« auf der Flip, das buchstäblich die andere Seite der Medaille über schwebenden Orgel-, Flöten- und Saxofonklängen ausdekliniert. Zwei Lieder zur Lage also eigentlich, beide aus dem Jahr 1985. Mehr lässt sich über die bundesdeutsche Gegenwart eigentlich nicht sagen.


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