Review

mattr.

A Brief History Of Nothing

Anette/Mism • 2016

Menschen werden von ihren Ideen überlebt. Der kürzeste Weg zur Unsterblichkeit führt deshalb über die Kunst. »The only father that I’m ever gonna have is gone«, intoniert mattr. halb gequält, halb in Stimmeffekten ertränkt schon im ersten Track von »A Brief History Of Nothing«, einer sonst recht wortkargen Platte. Er setzt damit die Bühne für ein Album, welches den Tod in sich eingesogen hat und hinter deren Kulissen sich noch mehr abspielte: Der Schweizer Produzent wurde fast zeitgleich zum Tod seines Vaters durch einen Hirntumor selbst Vater. Dennoch: Zwischendurch pfeift es durch die an klassischem Downbeat (lies: Mo Wax-Schule, nur nicht so saftig und verschliffen) geschulten Beats, die einerseits steril und doch detailreich orchestriert wurden (lies: Amon Tobin, nur nicht so aufgebläht). Die pathetischen Pianotupfer bekommen hoffnungsvolle Töne nebenan gestellt, hin und wieder schüttelt der Groove die Glitches ab, erfüllt sich das aufgeräumte Sounddesign mit Wärme. Es brodelt eine eigentümliche Freude unter dieser Musik, ein unausgesprochener Trotz. »A Brief History Of Nothing« bürdet sich per Titel dennoch einigen Ballast auf, mit Sprachsamples (»There is no god, no rules, no judgements except for those you accept or create for yourself and once it’s over, it’s over« – Six Feet Under, natürlich) und Referenzen auf philosophisch überfrachtete Literatur (»The Unbearable Lightness Of Not Being«, in Anspielung auf Milan Kundera). Dazu: Bittersüße Streicher, frostige Flächen, sumpfige Synthie-Lines. Aber mattr. ist mehr Dialektiker als Tragiker, wie es der Hintergrund vielleicht diktiert: Tod und Leben, Dunkelheit und Licht, die lange Geschichte des Nichts und der ganze Rest verknoten sich im Laufe einer guten Dreiviertelstunde. Das Tragische an mattr.s »A Brief History Of Nothing« ist so deshalb zugleich das Schöne daran: Auch diese Idee wird überleben.