_»Die herkömmliche Vorstellung sieht den Künstler als komplexe Person, die Ausdruck sucht für das, was er ist, denkt und fühlt. Du stehst eher für das Gegenteil. Du stehst für das Bild des Künstlers, der dem perfekten Track hinterherläuft. Der ist euch mindestens mit ›Hyper Hyper!‹ einmal gelungen«, erzählt der Maler Albert Oehlen dem Scooter-Frontmann H.P. Baxxter am Ende von »Scooter – Always Hardcore«. Dieses Gespräch stellt einen der Höhepunkte der Beweihräucherung eines der umstrittensten Kulturgüter aus deutschen Landen dar. Denn zumindest an dieser Stelle in der von dem Autor und Journalisten Max Dax aufbereiteten Mischung aus Bandbiographie und Interviewfetzen, wird auch ein wenig kritisch darüber diskutiert, was Scooter seit »Hyper Hyper!« im Jahr 1994 in Deutschland, Europa und dem Rest der Welt angerichtet haben. Völlig unaufgeregt bestreitet Baxxter diese Feststellungen auch gar nicht weiter, weist eine besondere Kreativität von sich und spricht von einer bloßen Marktlücke, die Scooter mit ihrem Sound gefüllt haben. Sympathien entwickelt man auch zu Beginn des 222-Seiten starken Bandes, das viele, z.T. sehr unterhaltende Fotos bereithält. In diesem Beginn werden die Anfangstage von Scooter näher beschrieben, H.P. Baxxter’s gescheitertes Wave-Projekt Celebrate The Nun und seine Zeit als Telefonist bei Edel Records, das bis heute als Mutterfirma hinter den Labels Kontor und Sheffield Tunes steht, die ebenfalls aus Scooter hervorgegangen sind. Schnell fühlt man sich hinein in die feierwütigen Typen, die damals bloß ihren Idolen nacheifern wollten. Überzeugt von dieser kindlichen Naivität schlägt man sich auf ihre Seite, die der Underdogs, denen nach »Hyper Hyper!« erstmals der Hass der damaligen Technoszene entgegenschlägt.
Was dann folgt, zeigt dann die Band nicht nur von ihrer unsympathischen Seite, sondern auch handwerklich mäßig und verwirrend: Scooter entwickeln sich im Laufe der Jahre zu Arschlöchern, ein Rollenbild, das ihnen eigenen Aussagen zufolge von The KLF vorgelebt wurde, und sind dann auch noch stolz drauf. Ganz besonders H.P. Baxxter, der, wenn man dem Buch glauben mag, auf Tour ganz besonders unausstehlich wird: exakt 60 Minuten Vorglühen vor jeder Show (für das auch mal ein ausverkauftes Haus trotz massiver Verzögerungen im Zeitplan erstmal warten muss) oder Barzwang (nach einer Show müssen alle Beteiligten dem aufgedrehten H.P. an der Bar Gesellschaft leisten, bis er keinen Bock mehr hat) sind da noch vergleichsweise harmlose Episoden. Dazu thematisch wahllos zusammengeworfene Aussagen von Menschen, die eine Meinung zu Scooter haben (darunter Heinz Strunk, Jan Delay oder Moses Pelham) und Zwischenüberschriften wie »Als wir mal in Odessa waren, musste ich für 450 D-Mark extra zwei Paletten Red Bull für H.P. aus der Türkei einfliegen lassen. (Holger Storm, Booker und Tourmanager 1994-2004)«, die – Phänomen hin oder her – nur eine Frage zulassen: Wer zum Himmel braucht das? Das Buch lässt die Chance ungeschehen, wahre persönliche Einblicke zu liefern. Stattdessen wird hier oberflächlich rumgepost, dass man sich fragt, wer genau H.P. und seine Lakaien in den Feuilleton katapultiert hat und wieso überhaupt?
Trees Speak
Timefold
Soul Jazz