Review

Naosuke Miyamoto Sextet

Step!

Le Très Jazz Club • 2019

1973 standen die Zeichen im japanischen Jazz auf Aufbruch. Naosuke Miyamoto, Kontrabassist mit blitzschnellen Krakenfingern, versammelte fünf Jazzer um sich und nahm im Rekordtempo ein Album auf, das er den schlichten Namen »Step!« verpasste. Die Platte sollte in Japan zu einem der erfolgreichsten Alben des Jahres werden – in einem Land, das nach dem Zweiten Weltkrieg von einem Jazzboom ergriffen und stark von kokujin jazz, dem schwarzen Jazz afroamerikanischer Musiker wie Art Blakey oder Horace Silver, beeinflusst wurde. Dabei war schon vor der Veröffentlichung klar: »Step!« könnte ein großer Wurf werden, ein Schritt nach vorne in eine unerforschte Zukunft, die in dieser Form noch nicht in Japan zu hören war. Allein das Ausrufezeichen im Titel verkörpert diese Dringlichkeit. Es suggeriert Beschleunigung mit Nachdruck. Keine ausgelutschten Standards im Swingtempo, hier sollte alles nach vorne preschen wie Hochgeschwindigkeitszüge zwischen Tokio und Hokkaido. Schließlich ist Naosuke Miyamoto in den Nachkriegsjahren mit dem jazzoiden Sound der US-Ostküste groß geworden. Als Teenager lungerte in den Jazzcafés seiner Heimat Kōbe herum, wird von den Entwicklungen in den USA angefixt und widmet ihrer Erforschung sein Leben. 1973 ist Naosuke Miyamoto fast vierzig, als ihm das japanische Indepententlabel Three Blind Mice das Angebot macht, ein Album aufzunehmen. Eine Ehre, auch weil sich das Label in kurzer Zeit mit Produktionen etablierte, die Klangfanatiker*innen vor Freude einen Satz glühende Ohren bescherte – und Three Blind Mice den Kosenamen »Japanisches ECM« einbrachte. Ziemlich classy, also! Paradoxerweise lehnte sich die Platte doch nicht ganz so weit aus dem Hardbop-Fenster wie angekündigt. Die beiden Harlold Lang-Interpretationen (»Step Right Up To The Bottom« und »A New Shade of Blue«) und die drei Originale machen zwar nichts falsch. Sie klingen fantastisch und so als hätte man sich zwischen den sechs Musikern auf die Studiocouch gefläzt. Aber der Wille, das Ding virtuos aus dem Jazzkeller knallen zu lassen, verliert sich im eigenen Bestreben, dann doch mal was Neues auszuprobieren.