Als Entropie wird die Zufälligkeit oder Unordnung bezeichnet, die in einem System herrscht und durch dessen Bestandteile mitbestimmt ist. A Tropical Entropy – so der Titel der Nick León-LP, erschienen auf TraTraTrax – ist das Paradebeispiel eines solchen Systems und seiner Bestandteile. Wobei dieses System ein tropisches ist, dessen Entropie es zu ermitteln gilt – und ja, gemeint ist die Klimazone.
Nick León ist Produzent und DJ aus Miami. Mit Wurzeln im Hip-Hop hat León in den letzten Jahren eine beachtliche Entwicklung hin zur elektronischen Pop- und Tanzmusik-Avantgarde vollzogen. Electronica, Punk, Ambient, Breakbeat, Jungle, Dembow-House-Elemente – in seiner Vorstellung einer tropischen Entropie verplastikt León all diese Bestandteile zu einem hyperrealistischen Dance-Pop-System, zusätzlich überzeichnet durch Autotune-generierte Gastmusiker:innen-Vocals wie denen von Ela Minus oder Erika de Casier.
A Tropical Entropy ist ein hochwertiges Zeitgeist-Produkt der US-lateinamerikanischen Seite der IDM – der Intelligent Dance Music –, die ihre Heimat originär im England der Neunzigerjahre hat. In die Gegenwart übersetzt orientiert sich León an Musikern wie DJ Python, Bad Bunny oder DJRum, oder an der zeitlosen Aggressivität der Tekken-Ära. A Tropical Entropy ist mystisch, kraftvoll, aufwühlend. Seine zugleich aalglatte Plastiktextur ist sonderbar kompliziert – fast zu glatt, sie zu greifen. Mit dieser Überforderung finden wir uns genau dort, wo León uns haben will.

A Tropical Entropy