Review

Portico Quartet

Portico Quartet

Real World • 2012

Den Sound der Jazzer von Portico Quartett wurde in der Vergangenheit maßgeblich geprägt vom Hang. Das Hang, im Jahr 2000 in Bern entstanden, ist ein aus zwei vernieteten Halbkugeln und mit hineingehämmerten Einkerbungen versehenes Instrument, das man bevorzugt mit der Hand (»Hang« ist Schweizerdeutsch für »Hand«) spielt und einen voluminösen, organischen, exotischen Sound erzeugt. Als der Hangspieler Nick Mulvey im vergangenen Frühjahr die Band verließ, mussten Wege gefunden werden, diesen Verlust auszugleichen. Ihr selbstbetiteltes drittes Album zeugt von dieser Kompensation. Die Briten wählten dabei den Wagemut. Zunächst arbeitete man erstmals mit Samples und Loops und unterwarf sich mittels dieser elektronischen Herangehensweise auch das herrenlose Hang. Dann integrierten Schlagzeuger Duncan Bellamy, Bassist Milo Fitzpatrick und Saxofonist Jack Wyllie mit dem Keyboarder Keir Vine einen neuerlichen vierten Mann, der dem Klang des Portico Quartets eine weitere Facette ermöglichen sollte. Schließlich noch erweiterten die eh wenig puristisch denkenden Musiker ihren Sound um weitere Facetten. War Minimalismus, Moderne Klassik und Weltmusik bereits zuvor Teil ihres Klangspektrums, erweitern sie dieses nun noch um allerhand Facetten aus der elektronischen Musik. Oder um es anders auszudrücken: Brachten Portico Quartet in der Vergangenheit Soft Machine, Steve Reich und die Musik der Mitglieder des AACM zusammen, interessiert sie gegenwärtig auch was in den Londoner Clubs so los ist. Das hat einen weniger hellen, auch heterogeneren Sound zur Folge. Dennoch ist Portico Quartet ein Jazzalbum, komplett live eingespielt und es ist spannend zu beobachten wie traumwandlerisch sicher sich die vier Musik im Zusammenspiel aufeinander beziehen. Gerade hinsichtlich des Wagemuts, sich auf dieses noch unbestellte Feld zu begeben, ist diese Sicherheit noch zu unterstreichen. Auch wenn man bei Tracks wie Lacker Boo oder 4096 Colours feststellen muss, dass die elektronische Musik mit ihren Mitteln manche Sachen einfach besser kann als der Jazz. An diesen Stellen wollen die Londoner einfach zu viel. Ein Track wie City Of Glass hingegen zeigt wie es funktionieren kann und Steepless hätten Lamb definitiv nicht besser machen können.