Review

Protomartyr

Formal Growth In The Desert

Domino • 2023

Für ihr sechstes Album verließen Protomartyr ihre Heimat Detroit und nahmen die zwölf neuen Songs in Texas auf, zudem kommt »Desert« im Titel vor. Von Josh Hommes breitbeinigem Wüstenrock oder gar schunkelndem Country ist »Formal Growth In The Desert« allerdings weit entfernt.

Vielmehr lässt sich die Wüste als Metapher für einen weiten Raum verstehen, in dem jegliches Leben zu fehlen scheint – so kann sowohl das deindustrialisierte Detroit als auch die eigene innere Leere zur Wüste werden. Die poetischen Lyrics von Sänger Joe Casey bleiben entsprechend traurig, wütend, dystopisch bis offen nihilistisch, dabei stets rätselhaft und mehrdeutig. »There’s 3800 tigers in this world / But there’s far too many of you / Of you, fools«, heißt es etwa zu Beginn von »3800 Tigers«, das folgerichtig damit endet, dass wir Menschen doch zu Tigerfutter werden könnten – oder ist es doch nur eine Hommage an das heimische Baseballteam Detroit Tigers?

So vielschichtig wie die Texte ist auch der treibende Post-Punk der Band, der nach den letzten beiden etwas opulenteren Alben nun wieder ohne klassische Bläser auskommt. Casey klingt oft, als hätte Nick Cave einen ebenso wortgewaltigen und desillusionierten, aber völlig atheistischen kleinen Bruder, der bei Parquet Courts singt, die wiederum dem Gitarrensound der frühen Sonic Youth huldigen. Langsam aber sicher werden Protomartyr selbst zur Referenz und zeigen mit »Formal Growth In The Desert«, dass es auch in einer noch so lebensfeindlichen Welt Grund zur Hoffnung gibt – irgendwann blüht schließlich jede Wüste.