Review

St. Vincent

Daddy’s Home

Virgin • 2021

Annie Erin Clark bleibt die große Unbekannte. Immer da, aber nicht greifbar, nicht zu fassen. Ihr mittlerweile sechstes Studioalbum »Daddy’s Home« als St. Vincent ändert daran nichts. 14 Stücke, die im Retro-Pop mit Anlehnung an die 1970er in New York dahintaumeln. Schon Vorab-Singles wie »The Melting Of The Sun« verwirrten den einen oder die andere Hörer*in eher. Ein episches Instrumentarium traf da auf ein ertrinkendes Gitarrensolo. Das war für manche Leute einfach zu viel. Zumindest in diesem kurzen Stück. Denn auf der Länge eines Albums ergibt das alles Sinn. Auf »Daddy’s Home« hat die 38-jährige US-Amerikanerin eine schwelgerische Atmosphäre erschaffen, die sofort einnimmt. »My Baby Wants A Baby« ist ein wunderbares, kleines Stück, das mit allem auffährt, was das Herz begehrt. Zugegeben: Es braucht wieder einmal ein paar Durchläufe, bis sich dieses Album in all seiner Schönheit öffnet. Das hat damit zu tun, dass sich hier viele Schichten erst absetzen müssen. All die Hintergrundstimmen, die Saxofone, die Sitar – das kann überfordern. Aber weil St. Vincent hier eben keine lustige Kostümmusik macht, sondern eben Kunst, braucht die Sache ihre Zeit. Und die sollte man sich nehmen. Stücke wie »The Laughing Man« funktionieren dann in ihrer Unaufgeregtheit umso besser. Und wenn die Gitarre auf diesem Album auftaucht, dann eben richtig, dann zieht sie alles an sich, lässt die Stücke beben. Mit »Down« befindet sich sogar ein ziemlich eindringlicher Hit auf diesem Album, bei dem die Sitar das komplette Gerüst zusammenhält. Wir bewegen uns trotzdem weiterhin im nostalgiegetränktem Pop-Rock und nicht in der Weltmusik. Nach diesen dreieinhalb Minuten kann zumindest auch niemand mehr behaupten, dass Annie Erin Clark nicht greifbar wäre.