Annie Clark aka St. Vincent sitzt auf dem Cover ihres vierten Albums wie eine Hohepriesterin auf einem Thron. Das könnte nicht passender sein, hat sie doch einerseits das umspannende Thema von »St. Vincent« als die Suche nach einem Kult-Anführer der nahen Zukunft bezeichnet. Andererseits klingt sie hier so dermaßen selbstsicher und majestätisch, dass ihr nicht nur als Gitarrengöttin ein Platz im Pantheon zusteht. Von Annie Clark selbst auch als »a party record you could play at a funeral« bezeichnet, ist es bisher das wohl anspruchsvollste, ambitionierteste und vielschichtigste geworden. Ihr Gesang changiert zwischen der Zerbrechlichkeit von Sinead O’Connor und der Wut der frühen PJ Harvey. Sogar ein affektiertes Teenie-Pop-Quietschen hat sie drauf, so dass man am Anfang von »Digital Witness« meinen könnte, eine neue Katy-Perry-Single zu hören, wäre da nicht das stets präsente sonische Augenzwinkern. Die für ihre Komplexität erstaunlich poppigen Kompositionen zeichnen sich vor allem durch die sehr präsenten Grooves aus und natürlich darf der ein oder andere Gitarrenausbruch nicht fehlen. Annie Clark fordert sich mit ihrer Musik gern selbst heraus und sagt, dass ihre Songs schlauer sind als sie, so dass man sich beim Zuhören stellenweise überfordert fühlen kann. Das sollte man aber spielerisch als Chance für eine tiefere Beschäftigung mit St. Vincent sehen.

St. Vincent