Review

Valerio Tricoli

Clonic Earth

PAN • 2016

Das, was Valerio Tricoli so macht, lässt sich nicht unbedingt als Musik entschuldigen. Für ein oder mehrere Traumata reicht es allerdings. Der Italiener macht die Art von Musik, die an Horrorfilme denken lässt, allerdings weder an US-amerikanischen Blockbuster-Splatter mit Knalleffekten noch an käsigen B-Movie-Trash, wie er von Goblin vertont wurde. Der Horror Valerio Tricolis ist ein metaphysischer, getragen von seiner eigenen Spannung zwischen der Überfülle von Sounds und deren Abwesenheit. Es dröhnt, tröpfelt, jammert, jault, kreischt, knuspert, kratzt und knirscht auf »Clonic Earth«, seinem zweiten Album für das Berliner Label PAN, welches sich mittlerweile auf abstrakte Clubmusik eingeschossen hat, in der Vergangenheit aber genau solche Nicht-Wirklich-Musik veröffentlichte. Sowieso: die Vergangenheit. Und erst recht ihre Wiederkehr. Die sich schichtenden Noise-Elemente von »Clonic Earth« und die mal unverständlich murmelnden, mal klar und deutlich aus dem Mix hervorstechenden Vocals wirken nicht nur gespenstisch, sie sind auch Wiedergänger. Feuer ist ein Verweis und tatsächlich schafft Tricoli eine Dichte, wie sie von Iannis Xenakis‘ »Concret PH« bekannt ist – einem maßgeblichen Stück für die Entwicklung der Granularsynthese, basierend auf einer Aufnahme von verbrennender Kohle. Der andere ist Philip K. Dick, Autor von dystopischen Romanen wie »Do Androids Dream Of Electric Sheep?« (der Vorlage für »Blade Runner«), dessen literarische Science Fiction mittlerweile alltäglichen Fakten gewichen ist. »Conical Earth« schafft so Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart wie zwischen Mystik und Konkretion. Dazwischen lauert ein Horror, der sich über vier LP-Seiten auf über 60 Minuten nur langsam entfaltet. Umso bedrückender ist der, weil er an keine visuellen Klischees andockt – sondern vollkommen ohne Bilder auskommt. Was gibt es in unserer Zeit schon Schrecklicheres als das?

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