Review

Wildflower

Season 2

Ill Considered • 2020

Mittlerweile bräuchte es für die Londoner Jazzszene einen Plan, der ähnlich wie bei der London Tube die Haltestellen/Bands farblich verknüpft. So eine Karte wäre praktisch, da man kaum noch erfasst, wer mit wem, wann und warum zusammenspielt. Nehmen wir Wildflower: Leon Brichard, spielt auch Bass bei Ill Considered. Dort musiziert er mit Idris Rahman, der hüben wie drüben die Holzbläser-Sektion bedient. Das macht Rahman auch bei Soothsayer, jener Londoner Band, die schon Jazz spielte, als hierzulande noch weiße, alte Männer ihre Cordhosen vollschissen. Heute ist Jazz aber schick und großen Anteil daran hat eben auch der dritte im Wildflower-Strauß: Tom Skinner. Wie kaum eine andere Platte hat »Your Queen Is A Reptile« von Sons Of Kemet 2018 die Hipster aus ihren Löchern kriechen lassen. Tom Skinner war am Schlagzeug dabei. Wer aus diesem Routenplan noch nicht genau weiß, was auf ihn zukommt, dem sei er verziehen. Selbst nach dem Hören der Platte ist nicht klar, was das soll. Das ist keine Wertung, mehr eine Feststellung. Es ist nämlich ganz verzückend, was Wildflower auf »Season 2« machen. Es ist diese Art von entspanntem Jazz, die nie an Dringlichkeit verliert, sich selten ernst nimmt, gleichzeitig dabei ist, ein impressionistisches Gemälde der Realität zu zeichnen. Stets im Vordergrund: Idris Rahmans Saxophon (Klarinette oder Querflöte, auf den beiden letzten Tracks des Albums), das zwar hohe Varietät in der stets sauberen Phrasierung vermissen lässt, dennoch geschult an Pharoah Sanders die richtigen Überblasmomente setzt, um das Tor zur spirituellen Welt zu öffnen. »Season 2« ist eine Meditation in aufgekratzten Zeiten.