Karate Andi – Das Sich-Nicht-Ernst-Nehmen zu ernst nehmen

13.02.2014
Foto:Thomas von Wittich / © hhv.de mag
Karate Andi ist der Hans im Glück mit Leberschaden: Ohne es krampfhaft zu versuchen, hat er sich eine Rap-Karriere aufgebaut. Er hat die Stimme, den Flow und die Punchlines. Doch man spürt auch verschenktes Potential.

Nicht wer zuletzt lacht, lacht am besten. Am besten lacht derjenige, der über eine Sache lacht, die alle anderen todernst nehmen. Karate Andi lacht am besten. Im Herbst 2012 tauchte er das erste Mal bei »Rap Am Mittwoch«, dem Berliner Battle-Rap-Event auf. Seine Freunde drängten ihn auf die Bühne. Daraufhin stand Karate Andi, den Rausch im Gesicht, dort oben auf der Bühne, zuckte mit den Schultern, lachte selbstironisch über gegnerische Punchlines und schickte ein nasales »Yüüüöör« hinter. Während der Gegner schnaubte, gestikulierte und dem Andi echt weht tun wollte.

Karate Andi strahlte von den Vans bis zur New Era Cap aus, dass ihm das ganze Tamtam, das Battle, deine Mutter hier, deine Mutter da, gar nicht so wichtig seien. Und trotzdem beherrschte er das Deine-Mutter-Hier-Deine-Mutter-Da besser als die meisten. Den Gegnern bot Karate Andi so kaum Angriffsfläche, den Damen in der ersten Reihe wiederum Anlass, rot unter ihren Carhartt-Beanies anzulaufen. Das Phänomen Karate Andi war geboren: Der verschnupfte Typ aus Berlin-Neukölln, der Pilsator anstatt Dom Pérignon trinkt; der Hans im Glück mit Leberschaden. Im Januar 2013 stand Andi das erste Mal im Finale von »Rap Am Mittwoch«. Jetzt, gut, ein Jahr später erscheint sein Debütalbum »Pilsatör Platin«.

Mit Referenzen geschmückt
Karate Andi erzählt darauf Geschichten über Späti-Bier zum Frühstück mit Neuköllns Urgesteinen im Wifebeater-Unterhemd oder über Analverkehr mit irgendwelchen Müttern auf Speed. Dabei geht es mehr um Punchlines und Technik als um Inhalt. Das hat einen kurzfristigen Unterhaltungswert. Für einen der sich auf Facebook einen Schriftsteller, bzw. sich selbst den Henry Miller des Rap nennt, ist das zu wenig. Der Kollegin von 16Bars.de erklärte Karate Andi, wie sein Rap zustande komme: Man nehme MF Doom und mixe ihn mit Charles Bukowskis »Kaputt In Hollywood« und heraus käme dann Karate Andi. Hätteste wohl gerne! Natürlich macht Andi solche Aussagen mit einem zwinkernden Auge. Vorbilder bleiben Doom, Miller & Co. trotzdem. Doch leider benutzt er sie nur als Referenzen, die ihn als Typen interessant machen sollen, und nicht als Einflüsse, die seine Musik interessanter machen.

CITI:»Nur des nächsten Dreifachrreim wegen, über Geschlechtskrankheiten und Heroin zu rappen, ist fast so, als würde man gar nichts sagen..«:###

Uns erzählte er, dass ihn an Rap begeistere, dass man alles sagen könne. Man muss sich fragen: Warum sagt er es dann nicht? Nur des nächsten Dreifachrreim wegen, über Geschlechtskrankheiten und Heroin zu rappen, ist fast so, als würde man gar nichts sagen. Karate Andi hätte sicher mehr zu sagen. So etwas merkt man. Das eingangs erwähnte Lachen steht ihm dabei im Weg; das Sich-Selbst-Bloß-Nicht-Ernst-Nehmen. Es scheint fast, als würde Karate Andi das Sich-Selbst-Nicht-Zu-Ernst-Nehmen zu ernst nehmen, dabei verkrampfen und sich einschränken. Das ist schade. Denn, dass dieser Typ ein interessanter Zeitgenosse ist, dessen pessimistische Sicht auf die Welt Stoff für gute Geschichten bereithält, das zeigt er einmal auf dem Album (gemeinsam mit Mortis One). »So Viel Gemeinsam« ist ein treffende Satire auf die oben erwähnten Mädchen mit ihren Carhartt-Beanies, die meinen, alternative Ideen in der Neon nachlesen zu können und sich für mündig halten, weil sie Arte anstatt Pro7 gucken. Das ist tatsächlich harter Stoff! Mehr davon und Karate Andi würde seinen Referenzpunkten gerecht werden. So schmückt er sich nur mit MF Doom, Henry Miller, Charles Bukowski, Morissey.

Plump auf die Kacke hauen
Man spürt es zwischen den Zeilen von »Pilsatör Platin«, dass Karate Andi einiges in der Welt sieht, das ihn ankotzt. Doch anstatt daraus den Faden für das Album zu spinnen, versteckt er sich in der Hülle aus Sarkasmus und Tabulosigkeit. Auf die Frage, was er den Leuten mit seinem Rap geben wolle, sagt er deshalb nur: »Ich will mit meinem Rap den Leuten Hoffnung und Mut machen, deshalb ist auch jeder zweite Track auf dem Album ein ›Kopf-hoch-Song‹!« Joa, ist halt eine lässige I-Don’t-Give-A-Fuck-Aussage.
Wenn man Interviews mit Karate Andi liest und anschaut, bekommt man den Eindruck, dass er hin- und hergerissen ist: Einerseits begeistern ihn krasse Situationen, er sucht Erfahrungen, die Stoff für krasse Geschichten bieten. Anderseits will er die krassen Geschichten nicht leidenschaftlich erzählen, weil das schon wieder zu ernst, zu »esoterisch«, zu »schwul« wäre. Da fragt man sich, warum Rapper immer erst den Grown-Ass-Man in sich entdecken müssen, um etwas zu erzählen, das sie wirklich berührt. Dass Karate Andi sich durchaus vorstellen kann, irgendwann davon zu erzählen, steht nicht nur zwischen den Zeilen, er bestätigt das auch in einem Interview mit Berlin Music TV Warum nicht jetzt damit anfangen? Wenn Andi seine jetzige Welt- und Menschensicht nutzen würde, um etwas Substanzielles zu erzählen, könnte das furios sein. So haut er halt plump »auf die Kacke«.

Trotz oder gerade wegen seiner spürbaren Unschlüssigkeit ist Karate Andi einer der charismatischsten neuen Rapper in der deutschen Rap-Landschaft. Wenn er lernt sein Charisma und seinen Witz für mehr als Oberstufen-Ironie eines kultivierenden Misanthropen zu nutzen, dann wäre die deutsche Raplandschaft bereichert. Dann würden nicht Mütter, sondern die Einstellungen mancher Leute gefickt werden. Und wir würden alle besser lachen können.