Die P – Die Messlatte höher legen

16.03.2021
Foto:© 365xx
Sie ist das erste Signing des All Female*-Labels 365xx Records und veröffentlicht dieser Tage ihr Debüt »3,14«. Für Die P ist die Golden Era schlicht nachhaltig, Competition ist für sie Ansporn, besser zu werden. Ihr Ziel: Zeitlosigkeit.

Die P hat genug von Heuchelei und falschem Stolz, genug von Rassismus und Sexismus, genug von Internetrambos und der Macht der Musikindustrie. Die Rapperin veröffentlicht nun ihr Debütalbum, eine Newcomerin ist sie aber keineswegs. 2002 war sie 14 Jahre alt, sah »8 Mile« im Kino, ging nach Hause und schrieb ihren ersten Text. Die nächsten Jahre verbrachte sie auf Bühnen, auf Jams und in ihrer Hood, Bonn. Sich im Internet zu präsentieren, interessierte sich nicht. »Ich habe in all den Jahren Musik gemacht und Musik gelebt«, sagt sie im Interview. 2015 erschien ihr erstes Video auf Youtube, zum Song »Mach Platz«. »Da kannten mich schon hunderte Menschen von Liveshows.«

Kurze Zeit, nachdem Die P ihren ersten Text geschrieben hatte, brachte ihre Cousine sie dazu, bei einer Battle-Veranstaltung aufzutreten. Dort hat sie das erste Mal live gerappt, als Teenager stand sie plötzlich neben all den Lokalmatadoren. Aber das Publikum hat ihre Verse gefeiert. »Das war mein ›8 Mile‹-Moment«, erinnert sie sich heute. Bis heute geht es der Bonnerin um diese Momente – Momente, in denen sie die HipHop-Kultur einfach fühlt. »Ich liebe jeden Aspekt dieses Lifestyles. Egal, ob man rumhängt oder Geld verdient mit der Musik. Egal, ob Hip-Hop Arbeit oder Spaß ist.« Wenn alles gut läuft, ist HipHop beides.

Der Sound des Debütalbums »3,14« orientiert sich klar an der Golden Era. Das zeigt sich überdeutlich an »Hood 53« und »Das Leben ist DieP«. Die beiden Songs orientieren sich stark am amerikanischen Vorbild, an »U.N.I.T.Y.« von Queen Latifah und »Life’s a Bitch« von Nas. Aber auch der musikalische Unterbau ist im New Yorker Hip-Hop der Neunziger fest verankert. Beispielsweise, wenn Producer Classic der Dicke das Sample auf »Mailbox« so flippt, dass die Gedanken sofort zu »93 ‘Til Infinity« wandern. Zugang zur Musik hat sie als Kind durch vier ältere Geschwister bekommen. Aus einem Zimmer schallt der Wu-Tang Clan, aus dem anderen TLC.

»Ich liebe jeden Aspekt dieses Lifestyles. Egal, ob man rumhängt oder Geld verdient mit der Musik. Egal, ob Hip-Hop Arbeit oder Spaß ist.«

Die P

Der Mainstream-Erfolg und die damit einhergehende Kommerzialisierung des Genres sind ihr kein Dorn im Auge. Die P weiß, dass Kultur sich entwickelt. »Wenn du die Entwicklung nicht verstehst, brauchst du dich nicht zu wundern, wenn du abgehängt wirst.« Dennoch ist ihre Musik befreit von kurzlebigen Trends, befreit von der Bemühung, zeitgeistig zu sein. Golden Era ist nicht altbacken, Golden Era ist nachhaltig. »Golden Era ist die Geburtsstunde, das ist Musik, die sich bewährt«, sagt sie. Für ein zeitloses Werk braucht es vor allem eins: Zeit. Vom ersten Text bis zum Debütalbum sind es bei Die P 19 Jahre. So viel Geduld haben die wenigsten, viele aktuell gehypte Rapper:innen sind nicht mal so lange auf der Welt. Was lange währt, wird endlich gut.

»Mach, dass die Worte auch den Bruder in der Hood erreichen / Und geb der Schwester Kraft, sich positiv und stark zu zeigen«, rappt Die P auf »Nie mein Stil«. Sie freut sich, wenn ihre Musik andere motiviert. Competition ist für sie nicht Degradierung der anderen, sondern Anstacheln. Wie einst Kendrick Lamar auf »Control« Symbolisch dafür kann der Track »Genug« stehen. Wie eingangs erwähnt spricht sie darauf all die Themen und Verhaltensweisen an, von denen die Rapperin die Schnauze voll hat. Competition heißt hier, die Messlatte höher zu legen. Dann müssen andere nachziehen. Aber nicht alles ist Erfolgsgeschichte. Rap ist für Die P auch Alltagsbewältigung. Sie rappt vom Scheitern, von Frust und Verzweiflung. Davon, dass sie aus Fehlern lernt. Und es beim nächsten Mal besser macht.

Während sich Deutscher Rap immer weiter von den Ursprüngen des US-Amerikanischen Hip-Hop entfernt, wirkt »3,14« fast schon heilsam. Die P liebt die Kultur und alles drumherum. Sie rappt von der Hood, von Hustle und guten Zeiten und konzentriert sich dabei nicht nur soundtechnisch, sondern auch inhaltlich auf Nachhaltigkeit. Große Experimentierfreude wird man von ihr nicht erwarten können, dafür aber jede Menge Authentizität und Liebe für die Sache.

Die P
3,14 HHV Exclusive Signed Vinyl Edition
365xx • 2021 • ab 26.99€

Dieser Beitrag ist Teil des Themenschwerpunkts

Female Rap

Unter der Rubrik »Female Rap« fassen wir Beiträge zusammen, die sich mit Frauen im Rap beschäftigen.

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