Als Princess Nokia geboren wird, hat sie drei Dollar und ein Handy mit 75 Prozent Akku in der Tasche. Ihre Mutter ist tot. Kein fettes Startkapital und trotzdem schlägt die junge Nuyorcerin Profit daraus. Denn das ist, was Princess Nokia macht: zurückschlagen. »That girl is a tomboy«.
Die Geschichte der Figur Princess Nokia ist zuerst eine Geschichte der Resilienz. Der Fähigkeit, sich aus Schicksalsschläge und Krisen heraus weiterzuentwickeln. Diese besitzt die junge Destiny Nicole Frasqueri, diese Fähigkeit ist die Grundvoraussetzung für ihre Entwicklung zu Princess Nokia. Sie wächst als »klassische Boricua« zwischen Spanish Harlem und der Lower Eastside auf. Im Kinderheim wird sie geschlagen, von der Pflegemutter. Beim Fototag in der Schule muss man ihr blaues Auge mit Make-Up kaschieren.
Damals ist sie elf Jahre jung. Mit 15 fasst die den Entschluss: wenn das noch einmal passiert … Natürlich passiert es noch einmal. Sie flieht.
Neun Jahre, 2016, später erzählt sie dem Musik-Magazin Fader für eine Kurz-Doku ihre Geschichte, gerade hat ihr Mixtape »1992« für Furore gesorgt. Man sieht ein paar Jungs auf Sofas rumlungern und rauchen. Im Kabuff nebenan steht Princess Nokia vor dem Mic, ein auf einem Adidas-Schuhkarton platzierter Macbook mit kaputtem Display dient als Aufnahmegerät. Princess Nokia trägt Tank Top und Kreolen, auf ihrer Haut liegt ein Schweißfilm, es ist Sommer in New York City. Sie unterbricht kurz ihre Aufnahmesession, um im anderen Zimmer zu lüften. Ist ihr alles zu verqualmt. Sie öffnet das Fenster und sprüht den Raum mit Rosenessenz ein. Den Machern der Dokumentation sagt sie, dass sie nicht fassen könne, in welcher Unordnung ihre Freunde zu leben in der Lage seien. Sie sei zwar auch ein »slop, but like a good slop«. Eine Chaotin, aber eine gute.
Princess Nokia ist in den vergangen zwei Jahren zu eine Symbolfigur für Selbstakzeptanz geworden. Sie ist ein Unwetter, das jede Scham wegspült. Sie ist Feministin. Sie ist eine Chaotin, die aufräumt.
Im Oktober diesen Jahres schüttet sie Sauce ins Gesicht eines Besoffenen, der eine Gruppe Jugendlicher als »Nigger« beschimpfte. Auf Twitter bestätigt sie den Vorfall: »Although painful and humiliating we stood together and kicked this disgusting racist off the train so we could ride in peace away from him«. Wenn Princess Nokia aufräumt ist es ein heilloses Durcheinander, ihr Akku scheint immer voll zu sein.
Auf ihren Konzerten erklärt sie vordere Reihe zum safe space. Was Mosh Pits nicht ausschließt. Nur dass diese bei ihr eben für Männer verboten sind, die den schwitzenden Haufen als Ort des Machtgehabes und der Selbstbehauptung missbrauchen.
Sich den Mechanismen der weiterhin männliche dominierten Popindustrie zu entziehen erfordert Kraft, Ausdauer und leider auch Mut. Diese Attribute strahlt Princess Nokia mit jeder Faser aus.
Aber Princess Nokias Kampf kennt nicht nur Gegner. Im sich immer weiter ausbreitenden öffentlichen Grabenkampf zwischen Menschen, die meinen etwas besser zu wissen, nimmt sie eine gesunde Sonderstellung ein. Sie versucht, das was sie verändern will, in seiner Herkunf zu verstehen. Nur ein Beispiel: »The idea of what a man has to be can be harmful to the young man.«
Die Fader-Dokumentation zeigt sie draußen auf den Straßen der Stadt. Man sieht und hört die Linie 6 in Richtung Parkchester fahren, die Sonne glänzt auf der silbernen Verkleidung des Zuges. In einem ihrer Songs beschreibt sie, wie ein alter Italiener in einem Restaurant in East Harlem in seine Fazul weint. Das ist Princess Nokias New York. Ihr Quell der Inspiration, hieraus bezieht sie die Kraft, um zu schaffen, was sie schafft: Unordnung. Eine gute, neue Unordnung.