AzudemSK – Mikrokosmos Hip Hop

27.08.2014
Mit seinem Vinly-Debüt »Classic EP« hat AzudemSK eine der ehrlichsten und schonungslosesten Überraschungen des Rap-Jahres hervorgebracht. Wir trafen ihn in Münster, wo er uns erklärte, warum er eine Etikettierung als »Rapper« ablehnt.

»Ich verstehe nicht, was diese ›Rapper‹ da machen – diese Images, diese Aufmerksamkeitsgier. Ich bin einfach nicht das Gleiche wie die. « Schon sein Künstlername deutet es an – AzudemSK trägt in erster Linie den Mind-State eines Graffiti-Writers in sich und verfolgt daher auch nicht die Ziele eines handelsüblichen Rap-Newcomers, der von Klickzahlen und Pophimmel träumt. »Rapper-Sein bietet einfach zu viel Scheiße. Was macht zum Beispiel einen Writer kredibil? Er hält seinen Mund und lässt die Bilder für sich sprechen. Als Rapper kannst du deine Fresse aufreißen, ohne dass etwas dahinterstecken muss. Das macht Rap so unglaubwürdig.«

Seine Leidenschaft zu Hip Hop entdeckt AzudemSK ganz klassisch über den großen Bruder. Zunächst fasziniert ihn nur Graffiti – erste Dosen werden bestellt und seine Heimat Telgte erkundet, es folgen Aktionen in Münster und bald in ganz Deutschland. »Rappen kam er erst viel später dazu«, beteuert der gebürtige Stader. Doch, wo andere in seinem Alter noch bei unbeschwerten Freestyle-Sessions das Takt treffen erlernen, nutzt der damals 16-jährige Rap schon vorwiegend als Ventil. »Für Freestyles war ich immer viel zu verkopft. Der Anspruch beim Schreiben ist auch ein anderer. Da kann man nicht einfach irgendeinen Scheiß erzählen.«

2007 stellt AzudemSK erste Lieder ins Internet und findet sich bald inmitten der Münsteraner Raplandschaft wieder, die sich zwischen dem berühmten Skater’s Palace und dem Künstlerkollektiv WillRap4Food abspielt. Schon damals hadert er mit der steigenden Aufmerksamkeit. » Viele meiner Tracks entstehen auf dem Sofa, um meiner Frustration Luft zu machen.

»Als Rapper kannst du deine Fresse aufreißen, ohne dass etwas dahinterstecken muss. Das macht Rap so unglaubwürdig.«

AzudemSK
Bei den ersten Auftritten habe ich mich mit meinen Texten auch nicht wohlgefühlt – das war alles viel zu nah an meiner Person.« Das Einsiedlerkrebs-Klischee des selbstmitleidigen Lyricists will dennoch nicht greifen. »Life is a bitch/ Nein, ist es nicht/ Weil’s so einfach nicht ist«, reflektiert AzudemSK auf »Neue Welt«. Melancholie ist eine Reaktion, keine Ursache. »Ich mag die Ernsthaftigkeit meiner Musik teilweise selbst nicht. Ich versuche mich mittlerweile lockerer zu machen, aber meine stärksten Tracks sind eben die, wo ich mich auskotze.«

Auf der EP »Classic« kombiniert AzudemSK diese ungeschönte Authentizität mit traditionellem Trueschool-Sound. Trockene Boom Bap-Beats, Writer-Referenzen und Scratches – AzudemSK besinnt sich auf die klassischen vier Elemente. »Bei »Classic« war das Programm klar: doper, loop-basiertert Hip Hop. ›Two turntables and a mic‹, eben classic.« Zum Bild des Rap-rettenden Heilsbringer geht Azudem SK allerdings auf Distanz: »Dieses ›wir sind real/ ihr seid fake‹-Gerede bringt doch niemanden weiter. Auch wenn ich Leute wie Umse sehr respektiere, frage ich mich, warum er immer nur sagt, dass er ›Realness‹ bringt, anstatt mir wirklich etwas von seiner Wahrheit – seiner ›Realness‹ – mitzuteilen.«

Der Sohn eines Historikers will hinter Fassaden blicken, Oberflächlichkeiten überwinden. Eine Bodenständigkeit, die Rap als Karriereoption nicht in Betracht zieht: »Hip Hop ist ein einziger Mikrokosmos. Es ist manchmal sehr angenehm ihn zu haben, zwei Wochen auf Interrail zu gehen und mit dem ›real life‹ nichts mehr zu tun zu haben. Ich bin aber konservativ genug, um ein normales Leben mit einem coolen Job und einer coolen Frau zu wollen.« Es ist das altbekannte Bestreben mit sich und der Welt im Reinen sein zu wollen, was AzudemSK trotz aller immer wieder vor das Mikrofon treibt. »Ich würde das Rapding am liebsten noch viel mehr mit meinem Alltagsleben und meiner wahren Persönlichkeit verbunden sehen. Dass ich zum Beispiel meinem Arbeitgeber nicht mehr verschweigen muss, dass ich Rap mache.« Mit dem Überraschungserfolg von »Classic« dürfte AzudemSK der Idealvorstellung einen Schritt näher gekommen sein.

Weiterlesen: Unser Autor Fionn Birr besuchte für ein Interview auch [die Bremer Dramadigs in ihrer Heimat](https://www.hhv-mag.com/de/feature/6371/dramadigs-im-auftrag-der-gluckseligkeit.)