Pierre Sonality – Der Neinsager und der Jasager

20.10.2014
Mit der »Magdeburg«-Trilogie löst sich Pierre Sonality nicht nur aus dem trauten Kreis der Funkverteidiger, sondern auch aus seiner bisherigen Comfort Zone: dem klassischen Battle-Rap.

Gerade als man gedacht hat, Pierre Sonality passe wie kaum jemand anderes in die Schublade der heiligen Kulturbewahrer, löst sich der Wahlhamburger nicht bloß aus dem trauten Kreis der Funkverteidiger, sondern auch aus seiner bisherigen Comfort Zone – dem wertkonservativen Battle-Rap in eisenharter B-Boy-Stance. Seine »Magdeburg«-Trilogie zeigt den Entwicklungsprozess eines Mannes auf, der gelernt hat ein Dope-MC zu sein und trotzdem »Ja« zu sagen.

Die »Magdeburg«-Trilogie ist dein erstes Soloprojekt seit 2009. Wie viel Einfluss hatten die restlichen Funkverteidiger auf die Entstehung?
Pierre Sonality: Ich zeige das eigentlich immer zuerst den Jungs, wenn ich neue Sachen mache. Manchmal rufe ich Mr.Lipstar nachts an und sage »Ich habe gerade aufgenommen, hör’ dir das mal an!« und er muss dann total pennt den Rechner hochfahren (lacht). Aber die anderen kriegen das natürlich auch zu hören und geben mir Feedback. Wir haben dieses »Is’ dope, is’ gut«-Gerede irgendwann abgeschafft und sagen uns auch direkt, wenn wir etwas scheiße finden. Auch zusammen im Studio herrscht ein gesunder Sportsgeist. Da ich aber selbst mein größter Kritiker bin, ist die Competition auch ständig präsent, wenn ich alleine Musik mache.

Du bezeichnest die drei Veröffentlichungen als »Zyklus«, was ja auf etwas Abschließendes hindeutet…
Pierre Sonality: Man könnte jetzt natürlich plump sagen, dass das Album fertig ist und dieser »Zyklus« abgeschlossen wurde. Aber es ist ja viel mehr als ein herkömmliches Album geworden – die »Magdeburg«-Trilogie fasst meine Entwicklung der letzten Jahre zusammen. Der Begriff »Status Quo« passt da ganz gut, finde ich. Meine letzten Releases waren ja eher »Neinsager«-Musik, worauf ich einfach keinen Bock mehr hatte. Ich habe schon immer auch andere Musik gemacht als das, was man von mir kennt. Eine ganze Weile dachte ich nur, dass die Leute es nicht verstehen oder scheiße finden würden. Von diesen Gedanken habe ich mich in den letzten Jahren lösen können – wir haben halt 2014 und die Scheuklappen müssen weg.

Gab es einen Schlüsselmoment für diese musikalische Öffnung?
Pierre Sonality: Ein wichtiger Punkt war auf jeden Fall das »Mega Drive«-Video mit Lukutz. Das war ja schon sehr viel bunter als die vorherigen Lieder, weil ich zum Beispiel auch plötzlich gesungen habe oder im Video Verkleidungen trug. Darauf kam so viel positives Feedback, was mich dann in meinen Gefühlen nur bestärkt hat, mich musikalisch zu öffnen.

Warum hast du dich für eine Trilogie entschieden?
Pierre Sonality: Ich hatte so viel Material, dass ich mir wirklich Gedanken machen musste, wie ich das sinnvoll an die Öffentlichkeit bringe und habe dann beschlossen, es stilistisch zu staffeln. Ich bin kein Fan von Doppelalben – das ist so ein krampfhafter Versuch alles auf einer LP unterzubringen. »Fundamente« setzt sozusagen in meinem Urschleim an: Hauptsächlich Boom Bap-Beats und Battle-Raps. »Olvenstedt« ist dagegen schon viel freakiger und die »Magdeburg«-LP bringt das alles zusammen. Im besten Fall stellst du am Ende fest, dass Pierre Sonality mittlerweile auch mal »Ja« sagen kann anstatt immer nur »Nein«.

»Ich habe bemerkt, je mehr ich den Wack-MC rauslasse, desto mehr Zeit habe ich, um selbst ein Dope-MC zu sein.«

Pierre Sonality
Wie hat sich die Herangehensweise zu deinen bisherigen Releases unterschieden ?
Pierre Sonality: »Kein Hip Hop Fame« ist zum Beispiel so entstanden, dass ich an freien Tagen morgens aufgestanden bin, den Rechner angeschmissen und bis zum Nachmittag Beats gebastelt habe. Abends habe ich geschrieben, dann aufgenommen und in der Nacht war der Song fertig. So arbeite ich immer noch am liebsten. Wobei ich mich jetzt auch mal länger hinsetze beim Schreiben einer Story oder einem Text über meine Weltsicht. Den Wack-MC zu vernichten, stand damals halt ganz oben auf dem Plan, was mittlerweile nicht mehr so wichtig ist. Es gibt da so einen Satz: »Funk ist die Note, die man nicht spielt«. Ich habe bemerkt, je mehr ich den Wack-MC herauslasse, desto mehr Zeit habe ich, um, sagen wir, »relevantere Sachen« zu erzählen und selbst ein Dope-MC zu sein.

Hast du noch etwas anderes bewusst nicht mit einfließen lassen?
Pierre Sonality: Wackness! Aber die habe ich noch nie zugelassen (lacht). Ansonsten habe ich alles gemacht, was ich cool fand. Das waren aber keine bestimmten Elemente oder so. Neu ist vielleicht, dass ich jetzt auch mal eine 808-Kick oder eine geflangerte 16tel-Hihat einbaue. Ich habe auch von meinem Mitbewohner einen KORG-Synthesizer bekommen, den ich bei rund 60 Prozent der Songs eingesetzt habe.

Neben FV oder Dudley Perkins überraschen vor allem Flowin Immo, Spax und Shivv als Featuregäste. Waren das Träume, die du dir erfüllt hast?
Pierre Sonality: Ja, voll. Gerade die Künstler aus der alten Garde sind Leute, die mich musikalisch sehr geprägt haben. Das DCS-Album »Ungesund und teuer« ist quasi mein Startschuss gewesen. Kennst du noch den »Flowzirkus«-Sampler? Da war Schivv mit diesem Track »Kannst du mich fühlen?« drauf. Den habe ich früher rauf- und runtergehört, der war einfach Boss. Es war für mich nur folgerichtig ihn mal auf ein Feature anzuhauen.

Gab es eine Session, die dich besonders beeindruckt hat?
Pierre Sonality: Mir ist eine Sache sehr krass im Kopf geblieben: Schivv sagt auf unserem Song »Komm Mit« direkt den Satz »Komm’ mit auf die Nachtschicht«. Das war lustigerweise exakt der Song [»Nachtschicht« von DCS, Anmerk. d. Verf.], den ich früher immer in meinem VW Polo gehört habe, wenn wir auf Graffitti-Tour gingen. Das in einem Schivv-Part für mein Album zuhören war ein sehr krasser Moment. Ansonsten fand ich es einfach nur krass, dass die allesamt wussten, wer ich bin, was ich mache und warum ich mit ihnen arbeiten will. Diese Wertschätzung war ein gutes Gefühl.

Hip Hop ist 2014 (wieder) in bestimmten gesellschaftlichen Schichten akzeptierter als noch vor ein paar Jahren. Gab es Momente, wo du das am eigenen Leib erfahren hast?
Pierre Sonality: Ja, da gibt es eine witzige Geschichte aus dem letzten Jahr. Wir waren zusammen mit Sonne Ra in Amsterdam und haben für das Video »Kiff High« eine Coffeeshop-Tour gemacht. Da haben wir uns richtig gegönnt (lacht). Wir waren in so einem großen VW-Bus mit getönten Scheiben unterwegs und wurden – natürlich – auf dem Rückweg hinter der Grenze angehalten. Die Beamten fragten uns auch gleich »Haben sie denn etwas mitgebracht nach Deutschland?«. Als wir denen dann erklärten, dass wir drüben bereits alles erledigt haben, was es zu erledigen galt und nur ein Rapvideo gedreht haben, entgegnete uns ein jüngerer Polizist »Ein Rap-Video? Ach, wie cool!«. Wir dachten schon, dass die uns jetzt die Karre auseinandernehmen und wir den halben Tag auf der Autobahn verbringen würden, aber nachdem die unsere Persos gecheckt hatten, durften wir weiterfahren. Die haben uns dann noch viel Erfolg mit unserem Hip Hop gewünscht. (lacht)