Review

Fred Bigot

La Voix de la Route

Les Disques en Rotin Réunis • 2014

Der elektroide Schrammel von »Bon Voyage«, dem langen und dann doch zu kurzen Opener, zieht eine schnurgerade Linie durch vorbeiziehende Landschaft, Feier der Unbeschwertheit horizontaler Bewegung, des Reisens als Meilenfressens, ein krautiger Rock’n’Roll aus Fahrtwind, Spurwechsel und Gaspedal. Fred Bigot, Neuköllner Franzose, solo eher bekannt als Electronicat, dem Nizzaer Delikatessen-Label bereits als Mitglied von Bader Motor (auch auf Grautag) verbunden, verarbeitet auf dieser 10″ Eindrücke einer zweimonatigen Reise durch die USA. Darunter Field Recordings als musikalische Inspirationsquelle. Das Geisterhafte der die A-Seite abschließenden Vignette reist immer mit im Land des Transits schlechthin; tremolierender Pinselstrich und Vocoderstimme genügen Fred Bigot, um erst recht in »Lost America« auf der B-Seite die ganze Melancholie zwischen Billboard und Motel im Nirgendwo einzufangen. Das könnte der Anspieltipp sein, wäre da nicht dieser rare schneidetechnische Gimmick, der kaum je so sinnhaft eingesetzt worden sein dürfte wie hier, wo er diesen anderen Aspekt des Reisens reflektiert: das Unwägbare im Ankommen. Die drei B-Seiten-Stücke laufen nämlich in drei separaten, parallel geschnittenen Rillen; die Abtastnadel sucht sich in der Einlaufzone per Zufall eines davon aus. Auch die restlichen beiden Stücke haben nur das Allernötigste im Gepäck, schaffen aber mit deutlicherem Bezug zu Field Recording kleine, plastische Klangerzählungen; ein freundlicher Gruß aus Grillen und Tuckern an Luc Ferrari in »The Last Wav«, wogegen »Sample Trip« erst in die Knochen fährt mit Runzelstirn&Gurgelstøckschem Grunzen und Fauchen, sich dann aber doch als Sample-Impression entpuppt, die an Alvin Luciers »Memory Spaces« denken lässt. Danach schaut man in die Welt wie das Mannequin-Pärchen auf dem Cover.

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