Review

Gonjasufi

Mandela Effect

Warp • 2017

»Mandela Effect« ist der Name für ein Phänomen kollektiver falscher Erinnerung. Er ist zurückzuführen auf die Aussagen vieler Menschen, sie könnten sich an Nelson Mandelas Tod in der Gefangenschaft des südafrikanischen Apartheidsregimes in den 1980er Jahren erinnern. Dabei starb dieser erst 2013 im gesegneten Alter von 95 Jahren. Es gibt weitere Beispiele für dieses Phänomen: Viele Menschen denken, der Kit Kat Schokoriegel sei einmal mit Bindestrich geschrieben worden oder die letzte Zeile von Queens »We Are The Champions« sei »…of the world«. Und wie immer, wenn es um solche seltsamen Phänomene geht, lassen die abstruseren Erklärungsversuche nicht lange auf sich warten: Was, wenn unsere Welt nur eine Simulation ist und sich hier Risse im System zeigen? Oder sind dies Einblicke in Paralleluniversen, in denen alles einen Tick anders läuft? Einer, der sein Leben im Paralleluniversum der kalifornischen Wüste verbringt und den Widrigkeiten der Welt schon immer Übersinnliches und Widersprüchliches entgegenwarf, ist der auf Warp gesignte Yogalehrer Gonjasufi Mit dem Remixalbum »Mandela Effect« lädt er uns in eine parallele Version seines letztjährigen, düster krachenden und knarzenden Albums »Callus« ein. Das Format eines Remixalbums wird bei ihm weit gedacht: Der Sufi legt selbst Hand an, präsentiert seine verspulte Version des Songs »Show« von Beth Gibbons & Rustin Man und lotet mit Drummerlegende Tony Allen die Grenzen des Afrobeat aus. Die Akteure, die Gonjasufis Stücke remixen oder komplett neu interpretieren, schließen nicht nur an alle Elemente seines wilden Stilmixes an, sie gehen, wie es schon auf dem letzten Remixalbum »The Caliph’s Tea Party« der Fall war, überaus frei mit dem Material um. Wenn Shabazz Palaces »Afrikan Spaceship« mit Formel-1-Sound-Rennsounds unterlegen, nehmen sich die Bearbeitungen von Massive Attacks Daddy G oder von Perera Elsewhere dagegen fast langweilig aus, obwohl sie es eigentlich gar nicht sind. Hört man Santino Romeris Bearbeitung von »The Conspiracy« als Gitarrenfolk-Stück oder Anna Wises Neuinterpretation von »Your Maker«, die beide die Skizzenhaftigkeit der Originale in vollendete Songs weiterdenken, fragt man sich am Ende schon: Welches war nun das Original, welches die Bearbeitung? Können wir uns unserer Wahrnehmung sicher sein?