bar italia live am 7. Mai 2024 im Berliner SO36

16.05.2024
Foto:© Steve Gullick (Rough Trade Records)
bar italia besuchten zum zweiten Mal die Hauptsadt. Erstaunlich, wie viel in einem halben Jahr passieren kann. Im Falle der britischen Band: nur Gutes.

Es ist kurz nach zwölf. Die Oranienstraße vor dem SO36 in Berlin Kreuzberg ist voll mit Menschen. In kleinen Gruppen wird eifrig über das Konzert diskutiert, einige betrachten glücklich ihre erworbenen Platten, andere sind schweißgebadet und atmen erst einmal durch. Mitten auf der Straße steht Sam Fenton und raucht eine Zigarette. Er ist neben Nina Cristante und Jezmi Tarik Fehmi einer der Gitarristen und Sänger:innen der Band bar italia.

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In den letzten Jahren geisterte die rätselhafte britische Band bar italia wie ein Flüstern durch Internet-Musikforen. So gut wie alles, was in Berührung mit Dean Blunt bzw. seinem Label WORLD MUSIC kommt, verspricht zunächst etwas Interessantes. So auch bar italia, die mit der Veröffentlichung ihrer ersten drei Projekte, »ANGELICA PILLED«, »Quarrel« und »Bedhead« (alle auf WORLD MUSIC), schnell mit einer Form von zeitgenössischer Musik, die sich aus Shoegaze, Grunge, Post-Punk, Folk und sogar Britpop formt, in Verbindung gebracht werden.

Fenton und Fehmi produzierten bereits vor bar italia gemeinsam als Double Virgo und wohtnen zusammen in einer Wohnung in London; nur eine Etage über wohnt Cristante, die ebenfalls an ersten Soloprojekten arbeitet. Die Corona Pandemie brachte viel Zeit und die Musiker zusammen. Der Name war schnell gewählt: bar italia – eine Anspielung auf das sagenumwobene Soho-Café. 

Die ideale Musik zum Weglaufen

Britische Indie-Einflüsse der 1980er und 1990er-Jahre, eine Vielzahl an ungefilterten, rauen und melancholischen Sounds, dazu E-Gitarren-Wellen und zigarettenrauchverhangener Gesang. Die absichtlich ungepflegte Produktion stellt auch bei dem Konzert in Berlin die richtige Atmosphäre her: Es ist rau, es ist schwitzig, es ist egal. Während die Band mit einem leicht verschmitzten Lächeln zu Crazy Frog auf die Bühne kommt, beginnen sie kurz darauf kommentarlos das Konzert mit dem Song »Punkt« von ihrem Album »Tracey Denim«. Dieses erscheint 2023 auf Matador Records und gesteht sich schon etwas mehr Struktur und längere Songs zu als das auf den verhuschten Vorgängern der Fall war. Genau daran schließt auch »The Twits« an, das nur wenige Monate später auch auf Matador erscheint.

Paradoxerweise sprühen die Glücksgefühle, trotz der Texte, die sich um Trennungsmythen, Fluchtgefühle und Existenzängste drehen.


Songs wie »my little tony« oder »worlds greatest emoter« fesseln das zu Beginn noch etwas schüchterne Publikum schnell. Im Vergleich zum Konzert Ende November 2023 im Lido, ist die Band deutlich selbstbewusster, interagiert mit dem Publikum und arrangiert die Songs geschickt, um Raum für spielerische Outros zu lassen. Das Zusammenspiel ihrer drei unverwechselbaren Stimmen nimmt den Raum ein, entwickelt Spannung, und entlädt sich immer wieder in so etwas wie melancholischer Ekstase. Es herrscht der Drang, alles sehen zu müssen, um ja nichts zu verpassen.

Mit der Zeit bilden sich die ersten kleineren Moshpits, an die Hörer:innen fairerweise nicht als Allererstes denken. Doch mit einem motivierten Schlagzeuger und einer Bassistin, die während des Konzerts höchstens einmal schnell in die Menge schauen, übernimmt die Energie der Band mühelos das Publikum. Paradoxerweise sprühen die Glücksgefühle, trotz der Texte, die sich um Trennungsmythen, Fluchtgefühle und Existenzängste drehen. Die Musik macht live einfach Spaß und ist eindeutig tanzbar. Was bleibt, ist ein Ohrwurm, die Hook »Born to run away« aus dem Song »Skylinny«, mit dem die Band sich in die Berliner Nacht verabschiedet.