Chico Mann – »Ich hätte gerne einen oder zwei Grammys«

31.10.2010
Marcos Garcia, Gitarrist der Afrobeat-Kombo Antibalas, veröffentlicht in diesen Tagen sein Solodebüt.

Chico Mann, das ist der Blick zurück in die Zukunft. Das Projekt des Antibalas-Gitarristen Marcos J. Garcia wagt den Versuch einer Vereinigung des historisch Unmöglichen. Wie hätte Afrobeat in den 1970er und 1980er Jahren geklungen, wenn man die Mittel der Jetztzeit gehabt hätte. Chico Mann verlinkt den Afrobeat und Afro-Funk mit den elektronischen Produktionen von Heute. Das Novum besteht darin eine mögliche Musik endlich zu materialisieren. Afro-Electro oder Afro-Freestyle gab es nie, obwohl die Mittel durchaus vorhanden waren. Die Synthese jedoch ist neu.
Garcia, dessen Vater ein Latin-Plattenlabel in New York betrieb, war so schon sehr früh mit südamerikanischer, speziell kubanischer Musik und Afrobeat in Berührung gekommen. Diese Liebe hält sich bis heute. Nicht nur ist Garcia ein Teil der wichtigsten Afro-Funk-Kombo New York Citys, sondern entwickelt nun eben als Chico Mann diesen Sound konsequent weiter. Was bleibt, ist der Beat, die Grundstimmung und der Flair. Neu sind die Synths, die Claps und der Drive. Alles ist vorstellbar, »doch bleibt die Musik stets dem Prinzip der Clave treu«. Die Rhythmuseigenschaften der afro-kubanischen und lateinamerikanischen Musik sind also der Grundstock für die Produktionen Chico Manns. Die Verbindungen zu dieser Musik und Garcias Muttersprache Spanisch bleiben also auch im Kosmos Chico Manns erhalten. Ebenso die treuen Einflüsse von Fela Kuti bis Celia Cruz und Ismael Rivera, neben haufenweise anderer Musik aus Papas Plattenkiste. Wohin die eigene musikalische Reise gehen wird, ist natürlich nicht ganz klar, doch »da ich aus der Welt des Afrobeat komme, wird diese Verbindung immer bleiben«. Der Rest ist Freiheit. Wenn Garcia in seinem »Labor« an Sounds tüftelt und aufnimmt, bleibt er häufig für sich.

Von der Welt des Afro-Beat ins Scheinwerferlicht

»Ich fühle mich mehr Druck als Solo-Artist, weil ich für alles selbst verantwortlich bin. Produzent, Toningeneur, Bandleader, Sänger, Creative Director, Manager, Booker etc. in Personalunion. Manchmal wünsche ich mir einen Tonmann, um mich allein auf das kreative Schaffen konzentrieren zu können.«

left
Diese Konzentration auf die eigene Leistung bietet Freiheit, doch »fühle ich mehr Druck als Solo-Artist, weil ich für alles selbst verantwortlich bin. Produzent, Toningeneur, Bandleader, Sänger, Creative Director, Manager, Booker etc. in Personalunion. Manchmal wünsche ich mir einen Tonmann, um mich allein auf das kreative Schaffen konzentrieren zu können«. Doch etwas so zentrales aus der Hand zu geben, scheint Garcia doch irgendwie zu beunruhigen. Als Chico Mann bleibt Marcos Garcia wohl vorerst allein im Labor und gewährt nur für Aufnahmesessions befreundeten Musikern den Eintritt.
Diese generieren sich hauptsächlich aus Musikern der Antibalas und deren Bekannten. Der Weg, den Garcia vom Afrobeat und Funk der Antibalas hin zum Afro-Electro und Afro-Freestyle beging, beschreibt er als unvorhergesehen. »Das Projekt entstand aus einem organischem Prozess heraus.« Eine logische Konsequenz seiner Herkunft und seiner Liebe zur elektronischen Musik.
Im Jahr 2004, in einer Tour-Pause der Antibalas, begannen die ersten Aufnahmen, und Stück für Stück entwickelte sich ein ernst zu nehmendes Projekt daraus. Die Ziele, die sich Garcia steckte wurden höher und höher. Mit einem Schmunzeln sagt man da auch schon mal: »Ich hätte gerne einen oder zwei Grammys«. Mittlerweile ist Chico Mann von einem Seitenprojekt zum Mittelpunkt des Schaffens geworden. »Ich will meinen Chico Mann-Katalog ausbauen, die Cartoon-Idee weiterverfolgen und Videos drehen.« Das Alter-Ego Chico Mann steckt also noch mitten in seiner Entwicklung. Und wenn Garcia einfach nur Garcia ist, ohne Chico Mann, ohne Antibalas, hört er auch gern einmal Dâm-Funk oder Little Dragon und träumt von einer Kollaboration mit Fela Kuti, David Bowie, Kraftwerk und natürlich von den beiden Grammys.