Cologne Tape – »Schwingt das Pendel zurück?«

04.04.2017
Im Kölner Stadtteil Deutz rumort es schon seit längerem. Während der Kölner die östliche Rheinseite leicht verächtlich »Schäl Sick«, die falsche Seite, nennt, ist gemeinhin bekannt, dass von eben jener Seite interessante Musik kommt.

Das Label Magazine hat in den letzten Jahren vor allen Dingen auch international für Furore gesorgt. Es steht für Club-Not-Clubmusik zwischen Techno, Kraut und Experiment. Die neueste Veröffentlichung des Labels kommt vom Kollektiv Cologne Tape, das aus den Musiker_innen Ada Barnt, Jens-Uwe Beyer aka Popnoname, Jörg Burger, John Harten, Philipp Janzen (Von Spar,) Mario Katz, John Stanier (Battles Helmet) und Axel Willner respektive The Field besteht.
 »Welt« heißt ihr Album, was man auf mindestens zwei Arten lesen kann: das Köln wieder Welt ist oder aber, dass es für diese Musik nicht wichtig ist, wo sie herkommt – sondern wo sich sich mit anderen verbindet.

Eine alte Werft darf als Entstehungsort und Mittelpunkt für das Label gelten. In den Gebäuden auf dem Gelände findet sich nicht nur der bekannte Mainstream-House-Laden »Bootshaus«, sondern auch die Wohngebäude der Labelmacher. Außerdem hat man hier jahrelang einen Off-Space-Betrieben, der in Andenken an den gemeinhin als untalentierten Politiker bekannten und ehemaligen Oberbügermeister »Fritz Schramma Halle« genannt wurde.
 Nur unweit des Geländes findet sich ein aufwendiges Spa namens ›Claudius Therme‹. Hier (also leider nur im Restaurant und nicht in einer der Saunen) treffe ich Cologne Tape. Nicht vollständig, man versichert mir aber, dass hier der kollektivistische Gedanke hochgehalten wird. So sind alle Aussagen als gemeinschaftliche Antworten anzusehen.

Wer oder Was ist Cologne Tape?
Cologne Tape: Wir sind eine Anhäufung verschiedener Musiker.

Ihr seid ja auch die Katalognummer »1« auf dem Label »Magazine«. Könnt ihr uns mal einen Überblick verschaffen: wie sind das Label und die Band genau verstrickt?
Die drei Labelgründer Barnt, Crato und Jens-Uwe Beyer sind bei Cologne Tape dabei. Tatsächlich war Cologne Tape der Beginn für das Label. Vorher gab es den Wunsch ein Label zu machen, aber keinen Anlass, keine Musik, die uns eigenständig genug erschien.

Wir sind hier in der Werft im Kölner Stadtteil Deutz, wo ja auch einige von euch wohnen, und andere bestimmt gern gesehene Gäste waren. Ist der Ort hinsichtlich der kollektivistischen Näherung an Kunst und Musik auch wichtig?
Für das Label ist der Hafen ein wichtiger Ort. Barnt, Crato und Jens-Uwe kommen von der Ostsee. In der Werft haben sie wenigstens noch einen großen Fluss. Für ›Cologne Tape‹ waren aber auch die Dumbo Studios, die sich Von Spar in der Südstadt aufgebaut haben, ein wichtiger Ort. Dort können wir tagelang machen, was wir wollen.

Vom Namen schließt man halt schnell auf einen Ort, schreit ja fast danach. Was steckt da genau dahinter? Ist das eine Werbung für die Stadt Köln als Standort? Oder steckt da auch »Sound of Cologne« drin?
Das ist alles nicht beabsichtigt. Die Band existiert nur in Köln und hier haben wir alles aufgenommen. Also ist das eher im Sinne von The Köln Recordings, The Cologne Tape, etc gemeint.

»Die größte Melodien entstehen bei uns, wenn alles egal ist.«

Cologne Tape
Und die Vereinnahmung als Leitbild für eine Kölner Szene, whatever that means, herhalten zu müssen oder können? Also dass euer Album jetzt wie »der große Hauptstadt-Roman«, nur für die Kölner Musiker, besprochen wird. Seid ihr vielleicht sogar der Status Quo?
Wir empfinden das nicht so. Vielleicht entsteht solch ein Eindruck dadurch, dass wir in Köln seit langem viele Sachen machen: Magazine ein paar Jahre mit einem eigenen Warehouse im Hafen, Jörg als Teil von Kompakt, Philipp mit Von Spar. Aber es gibt viele andere tolle Musiker, die gerade am Status Quo elektronischer Musik aus Köln arbeiten: Colorist, Jondo, Friday Dunard und viele mehr.

Ist einer der Gründe aber vielleicht auch, dass an euch heran getragen werden könnte, dass ihr standhaft in Köln geblieben seid? Gerade in Köln redete man auch immer noch und immer wieder vom Ausbluten der Szene und dass alle nach Berlin gehen und so.
Das Gefühl des Berlin Drains gab es vor ein paar Jahren. Schwingt das Pendel bald vielleicht sogar zurück?

Musikalische Traditionslinien kann man nicht von der Hand weisen. Die Kraut- und Prog-Bezüge z.B. … Seht ihr euch in einer Nachfolge zu so Heroen wie Can?
Es gibt manchmal kurze Abschnitte, in denen wir auch eine Nähe zu Musik aus den 70ern wahrnehmen. Das ist nicht geplant. Wir denken, das kommt durch ähnliche Praxen des gemeinsamen Musizierens zustande. Dass wir uns alle aufeinander einlassen, dass es keine wirklichen Virtuosen in der Band gibt usw. Aber im Unterschied zu 70er Bands spielt für uns der Club eine ebenso wichtige Rolle wie die Konzertbühne.

Ich nehme mal an, dass ihr dann auch eine Jam-Band seid. Ist das Musik, die entsteht, wenn man zu mehreren in einem Aufnahmeraum ist? Auch unter dem Aspekt, dass ihr kein klassisches Songwriting habt.
Wir sehen uns nicht als Jam-Band. Das wäre wohl eher eine Band, in der geübte Musiker sich mit technischem, vorgeübtem Spiel gegenseitig begleiten. Wir sind eine Augenblicks-Band. Die größte Melodien entstehen bei uns, wenn alles egal ist, wenn alle da sind und etwas machen, das sich für alle gut anfühlt.

Cologne Tape
Welt
Magazine • 2017 • ab 21.99€
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Also die Abfolge auf der Platte folgt damit bestimmt nicht der zeitlichen Abfolge der Aufnahmen im Studio.
Nein, genau, tut sie nicht. Um die Stimmung besser wiederzugeben, die bei den Aufnahmen im Raum war. Das Zeitempfinden während des Spielens und dann danach während des Hörens ist ein anderes.

Hat der Titel »Welt« auch damit was zu tun?
Cologne Tape will alles in der Welt zulassen.

Wie wird denn der Live-Moment bei euch aussehen? Wollt ihr das überhaupt spielen und dann wo?
Wir haben bis jetzt zwei Konzerte in Köln um die 2010er Wende gespielt, eines in der Halle damals auf der Werft, das andere im Stadtgarten. Das hat sich so richtig angefühlt, dass wir jetzt entschieden haben, dieses Jahr im Spätsommer eine Handvoll Konzerte zu geben. Die Auftritte werden ein großes Wiedersehen. Das mit anderen zu teilen ist der Moment, der uns interessiert.