Evidence – Der Schlechtwettermann

08.09.2011
Evidence ist »the Weatherman«, der mit den schlechten Nachrichten, den dunklen Bildern, der, der ausspricht, was sonst in Los Angeles unausgesprochen bleibt. Nun steht mit __Cats & Dogs__ ein zweites Soloalbum bereit.

Dass es wie aus Eimern schüttet, ist nicht gerade eine Assoziation, die man mit LA und dem kalifornischen Süden in Verbindung bringt. Dennoch wählt Evidence, »the Weatherman«, diesen Schlechtwetter-Titel für sein zweites Solo-Album Cats & Dogs. Die Redewendung »It’s raining cats and dogs« beschreibt genau dieses Sauwetter. »Ich komme aus einer Stadt, die immer nur mit Sonnenschein, Palmen und Gangsta-Rap in Verbindung gebracht wird«, erzählt der als Michael Peretta geborene Rapper und Produzent im Interview. »Ich repräsentiere die unausgesprochene Seite von LA: den Regen, die dunklen Bilder und die Musik aus dem Untergrund.« Tatsächlich ist Evidence als Drittel der Dilated Peoples schon fast der Schritt aus diesem Untergrund gelungen als diese sich spätestens mit der Kanye West-Kollabo This Way einen Namen gemacht haben. Und auch sonst ist der 34-jährige eigentlich längst kein unbeschriebenes Blatt mehr. Es scheint als würde Evidence mit so ziemlich jedem zusammenarbeiten, der in der HipHop-Welt Rang und Namen hat. Daher verwundern auch die zahlreichen Features nicht, die auf Cats & Dogs einen Platz gefunden haben: Zuerst wäre da mal Aloe Blacc, der ein paar schöne Zeilen zum Intro beisteuert. Dann die alten Weggenossen aus LA Rakaa, Ras Kass und Krondon. Auch von der Eastcoast sind ein paar Kollegen im Sunshine State gelandet: Raekwon, Roc Marciano, Prodigy und Feature-Dauergast Aesop Rock. Zu guter letzt soll noch Slug erwähnt sein, den Evidence seit einiger Zeit als Labelkollegen bezeichnen kann. Denn mit dem in Minneapolis ansässigen Label Rhymesayers hat Evidence eine neue Heimat gefunden, wo sich der reifende Künstler in allerbester Gesellschaft befindet. »Es ist für mich eine Ehre, Teil von einem Label zu sein, das so eigenständig und unabhängig arbeitet. Und ich habe auch viel zurückzugeben. Ich kenne meine Ziele und weiß, was ich erreichen will. Ich glaube auch nicht, dass Rhymesayers sich mit jemandem abgeben würde, der keine Vision hat.«

»Ich kenne meine Ziele und weiß, was ich erreichen will. Ich glaube auch nicht, dass Rhymesayers sich mit jemandem abgeben würde, der keine Vision hat.«

Evidence
Als Einstand hat sich Evidence kürzlich auf Amerika-Tour mit Atmosphere, Blueprint und Dilated-Beatmacher DJ Babu begeben und freut sich über die guten Erfahrungen: »Es ist ein Reifeprozess für mich. Ich kann es gar nicht erwarten, ins Studio zu gehen und die Eindrücke sacken zu lassen. Inspiration ist ein machtvolles Werkzeug.« Und davon scheint er eine Menge zu haben, denn nicht nur die Tour und das Solo-Album stehen im Terminkalender, es ist außerdem die fünfte LP der Dilated Peoples Directors Of Photography in der Mache und ein Projekt mit DJ-Kumpane The Alchemist, der auch auf Cats & Dogs fleißig mitproduziert hat. Auf die Frage, wie er das alles hinbekommt, fällt die Antwort stilecht aus: »A lot of weed.« Dass die Qualität darunter nicht leidet, ist sich Evidence aber trotzdem sicher und macht Vorfreude auf den nächsten Longplayer seiner Crew: »Ich habe die Vorahnung, dass es unser bis dahin bestes Album sein wird; und zwar aus folgendem Grund: Ich freue mich verdammt noch mal drauf, das Ding zu machen! Directors of Photography wird was Besonderes, da kannst du drauf wetten.«

Eine Reifeprozeß
Nun kommt aber erstmal Cats & Dogs. Der schwerfällig dahinschmetternde Westcoast-Sound, der auch schon The Weatherman prägte, gibt die perfekte Kulisse für den langsamen Rapstil von »Mr Slowflow«. The Alchemist, Evidence und ein paar weitere Co-Produzenten erschaffen einen harmonischen, durch Streicher, Klavier und Synthesizer geprägten kalifornischen Soundstempel. Besonderes Schmankerl ist To Be Continued…, wozu bereits ein Video im Netz zu finden ist, auf dem Evidence Achterbahn-fahrend ohne einen einzigen Schnitt den kompletten Song durchrappt. Der Künstler dazu: »Für mich persönlich ist das ein bahnbrechendes Video. Es wird schwierig für den nächsten Typen sich einfach vor eine Wand zu stellen und zu rappen. Heutzutage kann jeder ein Video haben, aber für mich muss das Lied ein Video wert sein.« Der 34-jährige macht einen sehr reflektierten Eindruck, was sich nicht nur in seinen Antworten, sondern auch auf dem Album niederschlägt. »Als ich The Weatherman aufgenommen habe, war das eine Möglichkeit, mit dem Tod meiner Mutter umzugehen. Seitdem hat mich die Realität eingeholt und es war nicht einfach für mich, da ich mit unzähligen Rechnungen und einer Menge Verantwortung zurückgelassen wurde. Ich bin definitiv erwachsener geworden und du wirst spüren, wie sich dieser Prozess auch in meinen Texten widerspiegelt.« So befindet sich Evidence mit seiner zweiten Solo-LP auf dem besten Weg, aus dem Schatten der Dilated Peoples zu treten. Dass es funktionieren kann, hat Rakaa letztes Jahr bewiesen, als er mit Crown of Thorns ein beachtliches Ausrufezeichen gesetzt hat. Und Evidence’ neues Umfeld bei Rhymesayers wird sich sicherlich auch nicht negativ auf die musikalische Qualität des Kaliforniers auswirken. Mit Regen kann er ja umgehen.