»Mein Internet reißt gleich ab«, sagt Tom Excell und friert in seinem Garten ein. Ein paar Sekunden später sitzt der britische Produzent und Gründer von Nubiyan Twist in einer Scheune. »Ich bau gerade ein Studio auf meinem Grundstück. Im Gegensatz zu London kann ich mir hier in Sheffield nämlich noch Raum für Kreativität leisten. Ach ja, hörst du mich jetzt eigentlich?«
Excell grinst ehrlich in die Kamera. Seit drei Jahren lebt er in der ehemaligen Industriestadt, hat eine Familie gegründet – vor Kurzem das vierte Album mit Nubiyan Twist veröffentlicht. Die zehnköpfige Band gehört spätestens mit »Find Your Flame« zum Besten, was im sogenannten UK-Jazz passiert. Es ist eine Platte, die Afrobeat-Ausgelassenheit, Favela-Funk und studierten Jazz zusammenbringt. Um daraus eine »lebensverändernde Experience« zu machen, wie es Nubiyan-Sängerin Aziza Jaye nennt.
Dass diese Experience an einem Ort entsteht, an dem es praktisch immer regnet, ist kein Geheimnis. Und dennoch eine Überraschung, aber: »Das schlechte Wetter passt gut dazu, sich in einem Studio zu verstecken und nicht das Gefühl zu haben, so etwas wie einen sonnigen Tag zu verpassen«, so Tom Excell. »Gleichzeitig machen wir im Studio genau jene Musik, mit der wir im Sommer rauskommen und auf den Festivals auftreten und das Leben feiern wollen.«
Mit dem Pony zum Twist
Tom Excell studierte Anfang der 2010er Jahre Musikproduktion an der Uni in Leeds. Er wollte elektronische Musik produzieren, war schon als DJ unterwegs. »Allerdings machte es mich zunehmend depressiv, um zwei Uhr früh bei irgendeinem Club aufzutauchen, wo alle betrunken und drauf waren. Es fehlte einfach die Connection, die ich an Live-Musik so liebte.«
Ein Ausflug ins Jazz-Institut brachte Offenbarung: So viele Musiker beherrschten ihren instrumentarischen Wirkungsbereich. Wieso nicht eine Band gründen, die sämtliche Interessen – von Felas Sound bis Tanzen zu Techno – zusammenbringt? Elf, zwölf Menschen mit Keyboards, Trompeten, Saxophonen und einem Schlagzeug fanden kein Gegenargument. Und nannten sich eine Band: Ten Trick Pony.
»Das schlechte Wetter passt gut dazu, sich in einem Studio zu verstecken und nicht das Gefühl zu haben, so etwas wie einen sonnigen Tag zu verpassen«
Tom Excell
»Allerdings sprachen es die Leute wie ›Tantric Pony‹ aus. Besonders cool war es außerdem nicht, dieses ›Pony‹ im Namen zu haben«, sagt Excell. »Einer unserer Freunde meinte dann: ›Ich habe diesen Song von den Fugees gehört und da kommt diese Zeile vor, in der Lauryn Hill über den Nubian Twist rappt. Wieso nehmt ihr nicht das?«
Dass die zwischenzeitlich ausgestiegene Sängerin Nubiya Brandon so heißt, wie sie heißt, half bei der Entscheidung. Im Rückblick sei der Bandname aber etwas unglücklich. Schließlich habe man den Eindruck bekommen, dass es ihr Projekt war. »Wir waren aber immer eine gemeinsam geführte Band, nie ein Projekt, das irgendjemand anführte«, so Excell.
Gute Argumente für den Garten
Nachdem sich Nubiyan Twist bereits auf ersten Clubtoiletten verewigt hatte, blieb man beim Namen. Inzwischen sind viele Jahre vergangen und vier Alben erschienen, drei davon bei Strut Records. Die Band spielt ausverkaufte Gigs in ganz Europa. Man darf von Erfolg sprechen. »Wenn ich die Finanzen durchgehe, denke ich mir manchmal trotzdem: Wieso bin ich nicht DJ geblieben?«
Tom Excell lacht – alles nur Spaß. Nubiyan Twist sei schließlich kein Geschäftsmodell. Wer schon mal als geschlossene Gruppe über Wochen in einem Van unterwegs war, ahnt es. Der Rest darf es sich vorstellen: Ein mehrpersönliches Unterfangen wie Nubiyan Twist kann nur funktionieren, wenn es von Leidenschaft getrieben wird.
Deshalb sei die Band »wie eine Familie«, so Excell. Man durchlebt das größte Glück wie die Geburt eines Babys. Oder begleitet im Fall der Beinamputation von Trompeter Jonathan Enser durch schwere Zeiten. »All diese Dinge fordern uns heraus. Aber wir wissen, dass wir diese Herausforderungen in unserer Musik kanalisieren können.«
Inzwischen leben die zehn Mitglieder von Nubiyan Twist verteilt über vier Städte, das heißt: Zu manchen persönlichen Challenges kommen logistische. Auch deswegen arbeitet Tom Excell viel im Voraus, erstellt Demos von Songs, die man einspiele, wenn man sich endlich auf einen gemeinsamen Ort geeignet habe, sagt er. »Da ich im Moment der einzige in dieser Band bin, der Familie hat, habe ich aber ein gutes Argument, um alle in meinen Garten zu schleppen.«