Oddisee – »Ich mache genau meine Musik«

21.05.2015
Foto:Asha Maura / © Mello Music Group
Oddisee hat in den letzten zehn Jahren an 20 Releases mitgewirkt. Soeben ist sein Album »The Good Fight« erschienen. Im Interview erfahren wir aber auch, wieso gerade die »normalen« Dinge sein Steckenpferd sind.

Oddisee hat in zehn Jahren über 20 Releases unter seiner Mitwirkung vorzuweisen und hält die Fahne für das Dreiländereck DMV (District of Columbia mit Washington D.C., Maryland und Virginia) hoch. Der Produzent und Rapper ist Kritikerliebling, Untergrundkönig, Weltenbummler und gefällt sich in der Rolle des kreativen Genies, das sich niemals anpasst. Doch es gibt zwei Sachen die Oddisee richtig nerven. Zum einen wird er von Blogs und Musikkritikern schon seit Jahren als »most underrated« bezeichnet. Das beinhaltet für ihn jedoch nicht nur Lob, sondern auch eine Abwertung seines bisherigen Erfolgs, nämlich dass er eine treue Fanbase hat, die ihm das Musikmachen und Reisen um die Welt auf einem angenehmen Level finanziert. Und zum anderen nervt Oddisee auch, dass er von nicht wenigen als der Posterboy des Anti-Mainstreams herumgereicht wird, als der dauerhafte Untergrundler, der sich nicht verbiegen lässt. Denn es ist nicht so, dass Oddisee ein größeres Publikum verschmähen würde, nur sich dafür anpassen, das würde er tatsächlich niemals tun. Warum es mit dem großen Durchbruch bisher nicht geklappt hat, ist für Oddisee eindeutig klar: Er trinkt nicht, er raucht nicht, ist nicht kriminell, ist in keiner Gang, hat keine Tattoos, feiert nicht in Clubs und macht aus seinem Sexleben nicht mehr als es ist. Er ist noch nicht einmal auf irgendeine Art und Weise »weird«. Das Einzige, was er anzubieten hat, ist die Gefühlswelt eines Normalos und die Beobachtung der Welt durch dessen Augen. Das klingt im ersten Moment nicht besonders glanzvoll, ist aber in seiner Konsequenz durchaus beeindruckend. Zusammen mit dem wahnsinnig hohen Output und der musikalischen Unvoreingenommenheit, erhält man einen Künstler, der kreativ niemals stehen bleibt, aber auch seit Jahren nicht so richtig vorankommt.

In Anspielung auf deinen Albumtitel »The Good Fight«, was werden die Leute später über dieses Album sagen? Dass du einen guten Kampf gekämpft hast, oder dass du für das Gute gekämpft hast?
Oddisee: Das Album handelt von all den Bedürfnissen des Lebens, den Kämpfen, die wir austragen müssen, den Dingen, die es wert sind, dafür zu kämpfen, egal wie schwierig das auch sein mag. Es geht darum, für Menschen da zu sein, die nicht für sich selbst da sein können, die eine harte Zeit durch machen, weil sie ein schwere Entscheidung treffen müssen, die gefangen sind, weil diese Entscheidung vielleicht auch in krassem Kontrast zu ihnen selbst steht. Das sind die Kämpfe, die man austragen muss, mit sich selbst, oder für andere. Aber schlussendlich macht man es aus einem guten Grund.

Das Outro deines Albums beschäftigt sich mit dem Thema »Dumbing down« und dass du das niemals machen würdest. Wenn du ganz ehrlich bist, hast du dich noch nie dabei erwischt, mal eine einfache Formulierung zu wählen anstatt einer komplizierten?
Oddisee: Oh nein, Gott sei Dank hatte ich eine Karriere, die das nie von mir verlangt hat. Aber ich bin mir sicher, dass ich wesentlich mehr Aufmerksamkeit erhalten hätte, wenn ich es regelmäßig getan hätte. Aber ich bin zu einhundert Prozent damit zufrieden, wo ich jetzt stehe und dankbar, dass ich das dafür nicht machen musste.

»Ich schreibe über Dinge, die jeder irgendwie kennt, zu denen die Menschen eine Beziehung haben.«

Oddisee
Trifft es dich, wenn deine Musik aufgrund der nicht immer leichten, oft sogar erschwerten Verständlichkeit als elitär bezeichnet wird?
Oddisee: Also ich muss ganz deutlich sagen, dass ich sie nicht elitär finde. »Dumbing down« bedeutet für mich, dass man so viele Menschen wie möglich erreichen will. Dazu muss man den kleinsten gemeinsamen Nenner finden, es so einfach wie möglich machen. Darum geht es mir nicht. Aber mir geht es auch nicht darum, Menschen auszuschließen und Sachen extra schwer zugänglich zu machen, sondern darum, für genau meine Themen die richtigen Hörer zu finden. Ich mache einfach genau meine Musik.

Deine Songs sind häufig bis aufs Messer persönlich, offen und ehrlich. Hast du keine Angst, dich angreifbar zu machen?
Oddisee: Nein, ich habe keine Angst davor verletzlich zu sein. Selbst wenn ich verletzlich bin, was soll passieren? Wird mich jemand angreifen? Was soll schon passieren? Ich glaube auch daran, dass die Themen über die ich schreibe, keine Themen sind, die nur mich betreffen. Im Gegenteil, ich schreibe über Dinge, die jeder irgendwie kennt, zu denen die Menschen eine Beziehung haben. Ich brauche mich nicht zu schämen, weil es Leute gibt, die das, was ich sage, genau nachvollziehen können. Die Probleme, die ich habe, habe ich mit Sicherheit nicht als Einziger. Die meisten Sachen, die im ersten Moment persönlich oder beängstigend erscheinen, teilt man mit vielen anderen Menschen. Also können meine Hörer Trost darin finden, damit nicht alleine zu sein.

Das neue Album kommt mit etwas mehr Schwung daher, mit etwas mehr Energie als die Alben davor. Was hat sich neben dem angezogenen Tempo noch verändert?
Oddisee: Tatsächlich ist es sogar so, dass das Tempo bei vielen Songs nur bei 60 bis 70 bpm liegt. Es kommt einem dann durch den Rest der Musik nur so vor, als wenn es bei 120 oder 130 bpm liegt. Aber das ist interessant, dass es das Erste ist, was du wahrnimmst. Für mich stand nämlich das Experimentieren mit zum Beispiel den Akkordverläufen, Melodien, Taktarten und Stimmeffekten viel mehr im Vordergrund. Über das Tempo selber habe ich mir eigentlich gar keine Gedanken gemacht.

In den letzten zehn Jahren hast du unzählige Songs gemacht. Hast du jemals Zweifel, wenn du etwas veröffentlichst?
Oddisee: Musikmachen fühlt sich für mich nie nach Arbeit an, denn es ist das, was ich am liebsten mache. Also mache ich es sehr oft. Wenn es um Inspiration geht, dann ist das nichts, was sich mir bewusst offenbart. Deswegen habe ich auch keine wirklichen Zweifel, was das betrifft. Wenn ich ein Album mit 12 Songs veröffentlichen will, dann arbeite ich an 12 Songs. Für mich ist immer schon ziemlich schnell klar, ob ein Song am Ende funktioniert oder nicht.