Für eine Band, die so ausufernde Musik macht – Leon Michels nennt es »cinematic soul« – stellt das Achtspur-Tonband für Surprise Chef eine »gesunde Begrenzung« dar. Neue Tracks wie »Sleep Dreams« oder »Dangerous« zeigen die weiche, seidige Schönheit ihres Sounds, während »Bully Ball« eine bedrohliche, aber funkelnde Energie freisetzt: Vibraphon, Gitarrenriffs, Klaviermotive im Wechselspiel. Auch »Consulate Case« oder »Tag Dag« leben von dynamischen Breakdowns und rhythmischer Finesse.

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Seit ihrer Gründung 2017 hat sich die Band aus Melbourne mit den Alben All News Is Good News und Daylight Savings an die Spitze ihrer Szene gespielt. Im Umfeld von Acts wie Karate Boogaloo, The Pro-Teens und The Cactus Channel fanden sie eine Community, die den Sound ebenso wie das Selbstverständnis geprägt hat. Mehrere Bandmitglieder leben zusammen in einem Haus in Coburg – samt Heimstudio und Kater Baby Huey, dem selbsternannten »Quality Control Officer«, der angeblich die Tonzähler im Blick behält.
Wann immer wir also über die Vorzüge einer kreativen Idee diskutierten, mussten wir uns einfach fragen: »Fühlt es sich gut an?«
Lachlan Stuckey
Lachlan Stuckey erklärt im Gespräch, wie sich der Songwritingprozess für das neue Album verändert hat, warum sie sich nicht von Quincy Jones produzieren lassen würden – und was es mit der »bone zone« auf sich hat.
Euer neues Album klingt spontaner als frühere Produktionen. Warum diese Entscheidung?
Stuckey: Das ist unser viertes Album, und wir haben den Aufnahmeprozess Schritt für Schritt immer weiter verfeinert. Irgendwann wurde alles zu fokussiert, zu akribisch. Dabei geht etwas verloren: eine bestimmte Energie, die aus dem Moment kommt. Wir wollten wieder mehr Leichtigkeit zulassen. Nicht alles 30-mal spielen, bis es perfekt klingt. Zwei oder drei Takes, das reicht oft schon. Wenn es sich superb anfühlt, machen wir weiter. Wenn nicht, ändern wir was, bis es sich superb anfühlt.
Warum trägt das Album den Titel Superb?
Stuckey: Weil das unser Mantra war. Der Track »Websites« bringt das gut auf den Punkt: Drumcomputer trifft Marimba, aufgenommen tief in der Nacht. Wir waren völlig durch vom Tag im Studio. Dieser Zustand – wir nennen ihn »bone zone« – ist eine Art kreativer Deliriumszustand. Völlig losgelöst. In solchen Momenten entsteht Musik, die wir uns im Normalzustand vielleicht nicht erlauben würden.
Was bringt euch in diesen Zustand?
Stuckey: 14 Stunden ununterbrochen im Studio. Immer wieder das gleiche Stück auf Band einspielen. Es ist, als würde man stundenlang in den Spiegel starren, ohne zu blinzeln. Man verliert die Perspektive. Diese Erschöpfung kann kreativ befreiend sein. Klar entstehen da nicht immer Meisterwerke, aber es öffnet andere Tore.
Eure Musik ist reduziert und lässt viel Raum. Wollt ihr nicht mal mehr solieren?
Stuckey: Nein, wir haben keine chops! (lacht) Ich hab mal ein Miles-Davis-Zitat über Ahmad Jamal gelesen: Es ging um Raum. Genau das ist unser Ansatz. Wir alle waren auf Musikhochschulen, Jazz-Programme, Solieren, Wettbewerb. Das hat uns wenig gegeben. Viele spielen dann, um andere zu übertrumpfen. Das fühlt sich nie richtig an. Uns reizt das einfach nicht mehr.
Was liebt ihr an der Arbeit mit Produzent Henry Jenkins?
Stuckey: Unser Herr und Erlöser! Henry ist unverzichtbar für unseren Sound. Er kennt all die Platten, die wir klauen wollen, und weiß, wie man sie gut klaut. Der erinnert sich an irgendeine obscure 45, die ich ihm vor drei Jahren gezeigt habe, und sagt: Lass uns die Drums so machen. Wenn Quincy Jones – Gott hab ihn selig – durch die Tür kommen würde und sagen würde: »Ich will euer Album produzieren« – wir würden sagen: »Danke, Bruder, aber wir sind versorgt.«
»Es hat einen gewissen kreativen Vorteil, wenn man in diesem Rausch ist, in diesem ungehemmten Zustand, aber es bedeutet nicht immer, dass man in dieser Situation großartige Musik macht.«
Lachlan Stuckey
Was sind denn eure großen Vorbilder?
Stuckey: David Axelrod haben wir schon immer abgekupfert. Und dann jede Menge obskures Zeug. Wir hören viel europäische Soundtracks der 60er/70er, Giallo-Zeug. Isaac Hayes, aber auch Piero Umiliani, Piero Piccioni. Henry kennt das alles.
Eure Tracks werden auch gesampelt, z.B. von Rich Brian oder Ghostface Killah. Freut euch das?
Stuckey: Total! Das ist für uns ein Full-Circle-Moment. Wir sind mit HipHop aufgewachsen. Unsere Musik steht so sehr auf den Schultern von Isaac Hayes wie auf denen von RZA, der Isaac Hayes gesampelt hat. Sample-Kultur ist bei uns eingebaut.
Der Track »Spiky Boi« passt nicht ganz zum »cinematic soul«-Label. Wie entsteht sowas?
Stuckey: Das war ein Nebenprodukt bei den Aufnahmen zu Education & Recreation. Wir waren wieder mal in der »bone zone«. Der Plan war: kurzer 2-Minuten-Jam. Zuerst dachten wir: Das passt überhaupt nicht. Aber für die EP Friendship war es genau richtig. Der Track hat uns geholfen, uns selbst nicht zu ernst zu nehmen. Das hat letztlich auch zu Superb geführt.
Würdet ihr euch selbst als Beat-Produzenten sehen?
Stuckey: Schon. Wir schreiben keine Beats, aber die Denkweise ist da. Wenn jemand ein Sample von uns nimmt, freuen wir uns. Das zeigt, dass unsere Musik zugänglich ist – nicht nur als Bandformat, sondern als Klangmaterial.
2024 habt ihr den australischen Kultfilm Wake in Fright neu vertont. Hat euch das beeinflusst?
Stuckey: Total. Das war das Intensivste, was wir je gemacht haben. Sechs, sieben Wochen lang haben wir italienische und europäische Scores analysiert, überlegt, diskutiert, jede Sekunde Musik durchgeplant. Zwei Mal haben wir die komplette Vertonung live aufgeführt. Danach wollten wir bei Superb genau das Gegenteil machen: nichts planen, alles loslassen. Es war wie Urlaub nach einem Soundtrack-Marathon.