Ausklang | New Music Friday – Neue Musik von Monolake, Pye Corner Audio, Savages et al.

20.11.15
Woche für Woche picken wir Tracks, die uns in den vorausgegangenen sieben Tagen nicht aus dem Kopf gehen wollten, deren Release auf den heutigen Tag fällt oder einem anderen Pseudogrund unterliegen
»Rutti (Aris Kindt And Desert Sound Colony Under The Pillow Cover)« by Slowdive
Was gegen den Irrsinn hilft: Kopfüber Smoothies schlürfen, Hunden tief in die Augen schauen oder kurz beim Vorbeirauschen eines mächtigen Fernverkehrzugs von der Druckluft die Haare in die Stirn kuscheln lassen. Oder Slowdive. Slowdive. Slowdive. Ein Name wie ein kreiselndes Mantra und die Musik dazu erst und dann noch diese Coverversion, die schon nicht mehr Musik ist sondern nur noch das keusche Knistern unserer Serotoninrezeptoren. Kommen wir damit runter? Kommen wir. Sind wir also down? Aber sowas von down. KC
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»VT-100« by Monolake
taken from Monolake’s new split 12" with Anstam, out November 20th on 50Weapons

Wir müssen auch hin und wieder an Moritz Bleibtreu denken, dessen herausragende Qualität als Schauspieler der linke, stolz nach oben gereckte Teil seiner Oberlippe war. Um dieses Gimmick wurden seine meisten Rollen herum geschrieben, zum Beispiel auch die in »Das Experiment«, für welche Momo zusätzlich mit einem lauwarmen Mix aus Angst- und Hetzschweiß besprenkelt wurde und schnappatmend die Anarchie im Angesicht des mikrokosmischen Totalitarismus verfleischlichte. Toll. »VT-100« versprüht dieselbe klaustrophobisch-verhetzte Stimmung, ist aber ebenso offen und richtungsweisend wie Bleibtreus Oberlippe, an die wir hin und wieder einfach denken müssen, weil es der Anstand gebietet. KC
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»Slaves Of Rhythm« by Daniël Jacques
taken from Daniël Jacques’s new EP »Discovery Change Pt. 3«, out December 11th on Jadac

Die Couch flauscht mit Daniel Jacques. Jetzt hier, schnell wenn ihr das lest: Gratisdownload, nicht mehr lange. Dafür dann: Larry Heard-Feelings, sanft schnurrende Rhythmen und viel, viel Kuschelmuschel über Claps, die euch auf die Schultern und nicht ins Gesicht patschen. »Slaves Of Rhythm«, darf das so ein bleicher Niederländer überhaupt…? Und sowieso: Wie meint der das? Aber das sind Fragen, die eh in den Teppichfransen verhallen, während der nächste Tee mit Crèmekrone rangekarrt wird. KC
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»She Hunts At Night« by Pye Corner Audio
taken from Pye Corner Audio’s new album »Prowler«, out November 20th on Morenthanhuman

Ende 2015 immer noch auf Hauntology steil zu gehen, ist ein bisschen so wie beim Orgasmus zu furzen: selbst dann noch peinlich, wenn du währenddessen mutterseelenallein bist. Immerhin aber auch irgendwie unbeholfen und also cute, kurzum: menschlich. So klebrig und abgeschmackt der ganze Geister-Quark wohl schmeckt – bei Pye Corner Audio vor allem nach entfettetem Italo Disco – macht er doch zu viel Spaß, um nicht in intimen Momenten in traurigen Ein-Raum-Wohnungen zu diffundieren. Zwischen den blassen Geistern menschelt es gehörig und streng. KC
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»Ee Chê« by Anna Homler and Steve Moshier
taken from Anna Homler and Steve Moshier’s new LP »Breadwoman & Other Tales«, out February 4th on RVNG Intl.

Glossolalie (ist ja gut, hier ist ein Link) ist deshalb so schön, weil es wieder und wieder beweist, dass wir nur Gewohnheitstiere sind. Anna Homler und Steve Moshiers obskures Breadwoman-Projekt (angeblich eine obskure Perle aus der L.A.-Szene der achtziger Jahre und meinetwegen, hier ist noch ein Link) ist eigentlich ein mantrahafter Abgesang auf Nietzsche (kein Link, hört einfach mal hin), den frivolen Gesichtsfrisurenvetter von Bonnie ‘Prince’ Billy und im Grunde ein kläglicher Versuch, dessen »Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne« Lüge (im moralischen Sinne) zu strafen. Aber das ist okay, denn wer zwei Meterbrote in den Händen hält, verfügt über Diskurshoheit. KC
»T.I.W.Y.G.« by Savages
taken from Savages’s new album »Adore Life«, out January 22nd on Matador

Den Savages sind, nomen soll ja schließlich omen bleiben, solche Feinheiten zu viel des Guten. Das wird direkt losgeknuspert, geblastbeatet und dir gesagt, dass du a) die Fresse halten und dich b) nicht mit der Liebe anlegen sollst, weil sonst – ja, sonst gibt’s per Totenkopfdiamantring neue Backengrübchen verpasst. Die gehen runter bis aufs Zahnfleisch, versteht sich. Alles klar? Alles klar. Und jetzt ab auf die Tanzfläche, da sind noch trockene Stellen auf dem Zementboden. Dir bleibt nur noch die Wahl zwischen Blut oder Bier. KC
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»Baby K Interaction« by Via App
taken from Via App’s new EP »7 Headed«, out now on 1080p

Zum Schluss tauchen wir den Kopf noch ein kleines Stückchen ins Elektronenbällebad rein, öffnen den Mund und saugen irisierende Splitter von elektromagnetischer Ladung ein. Das knistert so schön auf den Zähnen, das knallt so stark im Abgang. Das macht die Beißerchen so kräftig, dass jeder Apfelbiss so crisp jubelt wie die Hi-Hats dieses Tracks. Da hüpfen die Vocals vor Freude und verstockter Lust über die Backenmassage, die uns der Bass verpasst. Von führenden Medizinern aus dem Drexciya-Universum empfohlen, von der Nachahmung wird jedoch abgeraten. KC
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