Kuhzart kümmert’s – Es ist ein Arschbeben

03.06.2013
Foto:Ruke
Wie sagte Slug von Atmosphere so schön: »Not giving a fuck is so played out mainstream.« Das findet auch unser Autor. Er nimmt sich alles zu Herzen – Kuhzart kümmert‘s. Heute: Heute: Twerken im Zeitalter der Emanzipation.

Fashion für Frauen ist tot. Haute Couture ist überflüssig, ein besonderer Stil auch, Ausstrahlung eh. Arsch ist das neue Schwarz. In den letzten Monaten habe ich mehr Ärsche als Gesichter gesehen und das liegt nicht an YouPorn. Nein, es liegt an Musikvideos aus dem Bereich »Black-Music« (oh, wie ich diese fragwürdige Genre-Bezeichnung unbedingt mal wieder benutzen wollte). Ärsche wackeln am Strand, Ärsche bouncen im Club, Ärsche hoppeln auf der Straße. Das ganze hat auch einen Namen: Twerken – und ist inzwischen ein genauso anerkannter Tanzstil wie Tango.

Klar, Ärsche waren schon immer groß (angesagt) in Rap, Dancehall und R&B. Geändert hat sich die Motivation. Meist waren wackelnde Ärsche das Ergebnis männlicher Dominanz, ein Ergebnis von Machotum und Sexismus – es war eine Aufforderung an die Damen zu schütteln, was ihre Mama ihnen mitgegeben hat; ausgerufen vom männlichen Souverän. Begonnen hat das Twerken in der Bounce-Szene in New Orleans: »twerk baby, twerk baby, twerk, twerk, twerk« hieß es da bei DJ Jubilee. Etliche »shake-that-thing«s und »drop-it-to-the-floor«s später braucht es den männlichen Animateur nicht mehr.
Die starke Frau von Heute schüttelt es selbstbestimmt. 2009 wurde das Twerk Team zur YouTube-Sensation. »Wird Twerking das neue Harlem Shake?« fragt die inTouch und trifft mit dieser naiven Frage irgendwie den Nagel auf den Kopf. Das Twerken oder Twerking hat sich aus seinen Wurzeln gelöst und ist vom Spring-Breaker-Publikum aufgenommen wurden. Diesen Monat flogen weiße Schülerinnen von einer amerikanischen High School, weil sie kopfüber an der Schulmauer standen und ihr Hinterteil vibrieren ließen.

»All right, I can’t sing, I can’t act, I’m dumb, I’m a hillbilly, but I can twerk, so whatever!«

Miley Cyrus
Aber wie emanzipiert ist das Twerken eigentlich? Keine Angst, ich führe hier keine soziokulturelle Debatte mit Gender-Schwerpunkt. Aber ist es nicht befremdlich, dass man bei YouTube, wenn man »twerk« als Suchbegriff eingibt, vor lauter Arsch die Frau nicht mehr sieht? Für wen werden diese Ärsche in die Kamera gehalten? Warum der Arsch? Frau könnte ja auch mit dem Arm wirbeln oder so. Aber das ist nicht so sexy. Es wird also für den Rezipienten gemacht, den männlichen Rezipienten, der die Sexyness bestätigen soll. Der muss längst nicht mehr »Shake Your Ass« brüllen, um es wackeln zu sehen. Er diktiert weiterhin, schließlich bekommt er immer noch zu sehen, was er immer wollte. Nur muss er es nicht mehr laut vom Podium einfordern.

Man kann Twerken ästhetisch finden; ich bin sogar großer Befürworter! Dass dieser Tanzkult und Fettarsch-Fetisch aber einfach von der Masse adaptiert wurde, ohne dass die Masse ihn diskutiert hätte, ist schon merkwürdig. Der Wahn um den großen Wackelpopo ist so groß, dass Frauen sich Zement in die Backen da unten spritzen lassen. Jetzt machen zwar Big Seans Zeilen endgültig Sinn (»drop it to the floor/ make that ass shake,/ make the ground move,/ that‘s an assquake«), aber sollten nicht längst Feministinnen aus aller Welt die Brüste ausgepackt… äh… ich meine, protestiert haben?

Klar, man kann das Phänomen so deuten, dass diese Frauen einen weiteren Schritt zur Emanzipation getan haben, weil sie ihren eigenen Körper und damit die männliche Lust kontrollieren. Aber es hat keine deutliche Abgrenzung stattgefunden. Der selbstbestimmte Twerk ist doch nicht mehr als die Assimilierung jenen Arsches in die Gesellschaftsmitte, der zuvor noch zum Objekt-Inventar in Videos von Rappern gehörte – neben Autos, Cash und Champagner.

Denn »face down, ass up!« bleibt einer der Wahlsprüche der Männer, die es twerken sehn wollen. Ich weiß nicht, wie unabhängig ich meine kleine Schwester finden würde, wenn sie diese Aufforderung, wenn auch nur indirekt, befolgen würde. Letztendlich kommt es wieder mal nicht auf das »ob« sondern auf das »wie« an: Solange das Twerken reflektiert als Körpergunst eingesetzt wird, ist alles gut. Noch besser ist es wie immer: mit Humor Major Lazers neues Video macht es vor: In »Bubble Butt« wird der Kult um bebende Zellulitis ad absurdum geführt. Wie immer hilft die Karikatur eines Phänomens, es mit Abstand zu sehen. Das Fazit kann auch beim Twerken nur sein: Mach es, aber so wisse auch, warum du es machst!