New Record Labels – Bass Cadet, Haunter, Big Bait und Golden Antenna

06.08.2015
Jeden Monat stellen wir Euch Plattenlabels vor, die neu bei uns im hhv.de Shop vertreten sind und/oder deren Entdeckung sich unbedingt lohnt. Die Auserwählten in diesem Monat: Bass Cadet, Haunter, Big Bait und Golden Antenna.
Bass Cadet Records ist ein 2012 von Alan Mathias, Etienne Dauta sowie den Brüdern Tolga Fidan Atilla Fidan betriebenes Plattenlabel aus Berlin. Aus einem losen kreativen Austausch firmierte sich erst Bass Cadet, dessen Name auch auf der Tür des gleichnamigen Berliner Plattenladens prangt, den Etienne Dauta mit einer Freundin im Jahr 2013 eröffnete und der den Wahlneuköllnern als Headquarter dient. Obwohl alle wichtigen Entscheidungen gemeinsam getroffen werden und das Engagement variiert, werden bei Bass Cadet Records die Aufgaben gerecht verteilt: Etienne Dauta kümmert sich um Management und Herstellung, Alan Mathias um die Tontechnik und Attila Fidan besorgt das Design. Der andere Bruder? »Tolga ist unser weiser älterer Bruder und gibt uns Ratschläge«_, heißt es dazu mit einem Augenzwinkern.

Die Clique nutzt das Label vorrangig als Abschussrampe für eigene Produktionen. Insbesondere der Output Mathias und Dauta, die unter dem Namen Arcarsenal dubbige House/Techno-Hybride produzieren, prägt den schmalen Katalog. Die Fidan-Brüder hinken keineswegs hinterher: »Tolga hat Massen von Material auf seiner Festplatte und Attila schraubt des Nachts heimlich an seinem Kram.« Dass Bass Cadet für ein junges, gut vernetztes Label recht wenige Releases vorweisen kann, ist im Trial-and-Error-Verfahren des Kollektivs begründet. »Die Katalognummer BCR003 – Arcarsenals ›Hoodoo Spell‹ – und die im Herbst 2015 erscheinende EP von Tolga Fidan sind für uns die wichtigsten. Die ersten waren eher Proben. Arcarsenals EP hingegen ist ein neuer Start, der uns das Gefühl gibt, in die richtige Richtung zu gehen.«

Damit ist wohl nicht nur die Musik von Bass Cadet und seinen Mitgliedern allein gemeint. Denn während diese sich sanften Grooves und heimeliger Deepness verschrieben hat, bezieht das Labelmotto markig Stellung. _»Auf unseren Releases steht ›This record kills fascists‹ in Anlehnung an das, was auf Woodie Guthrie Gitarre stand Wir werden alle von unseren unterschiedlichen Hintergründen, ob musikalisch oder kulturell, geprägt und von ihnen verbunden.«_ Soll noch mal jemand sagen, Dance Music sei ein unpolitisches Feld. ■ Kristoffer Cornils

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Haunter Records ist ein 2013 von Daniele Guerrini und Francesco Birsa Alessandri zusammen mit einer weiteren Person gegründetes Plattenlabel aus Mailand. Nachdem sich das italienische Trio kurzzeitig dezimierte, hilft nun Federico Scudeler mit insbesondere der Grafik und der Website des Imprints aus. Bevor aber personelle Änderungen vor sich gingen, stand am Anfang dieselbe Erkenntnis: »Wir alle verspürten den Drang uns in Antwort auf – oder in unserer Befangenheit von – den verwirrenden sozialen Umständen um uns herum auszudrücken.«_ Unter dem von der Post-Industrial-Band Coil geliehenen Motto »By working the soil we cultivate the sky« nahm Haunter seinen Anfang – nicht nur als Label, sondern auch als Veranstaltungsreihe im Macao, einem besetzten, selbstverwalteten Kulturzentrum in Mailand.

Dem Kollektiv geht es eigener Aussage zufolge darum, eine eigene Szene zu installieren, wo vorher wenig Vorzeigbares zu hören und zu sehen war. Überwiegend beschränkt sich der Output deshalb auf Projekte, in die zum Beispiel Guerrini involviert ist, wie etwa Heith und Cage Suburbia. Musikalisch jedoch zeigt sich – bis auf ein gewisser Punk-Esprit, der dem Label sehr am Herzen liegt – zumindest auf musikalischer Ebene keine wirkliche Gleichförmigkeit. Die irrwitzigen Modular-Synthesizer-Etüden eines Somec und die düster ratternden Industrial-Tracks des Schweizer S S S S vereint vielleicht eine Haltung, auf demselben Label sind sie oberflächlich betrachtet zuerst nicht zu vermuten.

Haunter aber zelebriert eben genau das: musikalische Polyphonie vor ideologischem Gleichklang. Das Label widmet sich eigener Aussage nach »cracked electronics, irregular noise and post-structuralist dance music«. Moment mal, Post-Strukturalismus? »Naja, das war ursprünglich eher ein Witz«, heißt es dazu. »Allerdings ist viel der Musik post-strukturalistisch in dem Sinne, als dass sie ihr eigenes Genre dekonstruiert. Sie verwendet das, was Gilles Deleuze die ›kleine Sprache‹ nannte: eine Art barbarischen Dialekt, der die offizielle Form von Kommunikation unterläuft. Es geht um den Zustand, fremd im eigenen Land zu sein, was wohl auf die meisten von uns veröffentlichten Acts zutrifft.« Eine abstrakt anmutende Erklärung, die sich jedoch mit Blick und Ohr auf die aufwändig gestalteten Tapes und Vinyl-Releases von Haunter schnell konkretisiert. ■ Kristoffer Cornils

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Big Bait ist ein 2008 von Niels Hofheinz gegründetes Label aus Karlsruhe. »Die Musik, die mir gefiel, konnte ich halt nirgendwo kaufen«, erinnert sich Hofheinz zurück. Deswegen gründete er Big Bait, das er bis heute allein betreibt – abgesehen von ein wenig Schützenhilfe hier und dort, wie zum Beispiel von Scherbe (alias Sebastian Stehlik) mit dem Hofheinz das Duo Citizen Funk bildet. Der Sound, den die Beiden oder Hofheinz unter dem Pseudonym Peter Clamat produzieren, steht sinnklanghaft für das, was auf Big Bait erscheint: House mit Hip Hop-Background. »Ich hab schon Anfang der neunziger Jahre, mit 16 oder 17 Jahren, beides gehört. Das passt vom Vibe, vom Lebensgefühl irgendwie zusammen«_, meint Hofheinz.

»Ich denke, Hip Hop und House arbeiten mit denselben Grundstrukturen von Groove, Looping und dem Einsatz von Soul-, Jazz- und Disco-Elementen«, sagt Hofheinz. Genau das ist es, was ihm musikalisch am Herzen liegt. »Eine Vorstellung von Sound, ein musikalischer Ästhetikbegriff« leitet ihn bei der Kuration des Labels, auf dem nicht nur seine eigenen Produktionen erscheinen, sondern wo unter anderem auch ein junger Glenn Astro und ein Urgestein wie Roger23 bereits Halt gemacht haben. »Es gibt seit Anfang an eine Kernidee von Groove und Deepness, bei Big Bait. Aber genauso, wie sich die Musik in den letzten fünf Jahren weiterentwickelt hat, hat sich auch der Sound des Labels gewandelt«, fügt er hinzu. Glenn Astro zum Beispiel klänge heute schließlich anders als noch 2013 – obwohl gerade dessen EP »Colored Sands / Hotel Groove« ein kleines Highlight der Labeldiskografie darstellt. »Move D hat das Ding im Boiler Room gespielt und in die Kamera gehalten. Danach ging‘s ab.«

Zwar ist Hofheinz wohl immer noch davon entfernt, von Musik leben zu können, wie er es sich erträumt, seine Vision jedoch hat sich im Laufe der Jahre gefestigt. Insbesondere seine Ansprüche in Sachen Design lassen sich bis in frühste Zeiten zurückverfolgen: »Als Kind fand ich immer die Plattencovers der Soulplatten meiner Eltern extrem geil. Die konnte ich mir stundenlang anschauen, während die Musik lief«, erklärt er seinen autobiografisch verankerten Anspruch an die Aufmachung seiner Platten, die zum Teil auch konzeptuell zusammenhängen – wie etwa im Fall der »Sativa«-EP von Chocky und dem »Indica«-Gegenstück von Georgi Barrel. Innere Geschlossenheit und Offenheit schließen einander bei Big Bait aber nicht aus: Demos hört sich Hofheinz regelmäßig an. Wer also meint, zu Hofheinz’ firmer Vision beitragen zu können, sollte sich von der e-Mail-Adresse muelleimer@bigbaitrecords.com nicht abschrecken lassen. ■ Kristoffer Cornils

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Golden Antenna ist ein 2006 von Timo Siems gegründetes Label aus Braunschweig. Auf die Frage, welches Release für das Label und ihn persönlich am wichtigsten war, weiß Siems eine eindeutige Antwort: Maseratis »Inventions For The New Season«. »Nicht nur, weil es das erste war, sondern vielmehr, weil es Maserati mit Jerry Fuchs waren – einer meiner besten Freunde, der leider 2009 auf tragische Art und Weise gestorben ist und an den ich noch immer fast täglich denken muss«_, erklärt er. Tatsächlich legt Siems bei der Kuration seines Labels auf persönliche Beziehungen sehr viel wert.

Dem bunten Durcheinander von krautigen Post-Rock-Sounds wie von eben jenen Maserati – die bis dato drei Platten bei Golden Antenna veröffentlicht haben – über den krachigen Post-Punk der Neuseeländer Die! Die! Die bis hin zu experimentellen Metal-Entwürfen von Bands wie Rosetta, Phantom Winter oder Kerretta liegt kein ausgeklügeltes Konzept zugrunde. »Das mag für manchen zu einfach klingen: Aber es geht mir echt nur um die Liebe zur Musik. Das kann von Ambient bis Black Metal reichen, könnte aber auch Hip Hop sein«, erklärt Siems. Wichtig ist ihm allein eine stilistische Eigenständigkeit.

Dass diese nicht nur auditiv, sondern auch visuell und haptisch erfahrbar wird, ist Siems besonders wichtig. »Wir legten von Anfang an den Fokus auf Vinyl, da ich selber zu Hause auch keine CDs habe«, erinnert er sich. »Haptik ist irgendwie voll mein Ding. Das muss sich einfach alles gut anfühlen, aussehen und auch in Kombination gut passen.« Und wenn Siems das sagt, dann meint er damit wirklich alle erdenklichen Elemente: »Neues Vinyl riecht zum Beispiel auch anders als altes«, augenzwinkert er. Wobei die Musik natürlich im Zentrum steht. Die klingt bei Golden Antenna von Release zu Release verschieden. Ganz so, als würde sich das Label von Platte zu Platte neu erfinden. ■ Kristoffer Cornils

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