Review

Adrian Younge & Tony Allen

JID018

Jazz Is Dead • 2023

Wenn Adrian Younge von Jazz spricht, verwendet er das Kompositum »freedom music«. Denn Jazz ist nicht nur freie Improvisation. Jazz ist untrennbar mit der Geschichte Schwarzer Befreiungsbewegungen verbunden. Als Musik der Entwurzelten hat es die Fähigkeit, sich an neue Kontexte anzupassen und autonome Konstellationen zu schaffen. Bei so viel Modellierbarkeit ist es nicht ausgemacht, dass Genre-Konventionen bestehen bleiben. Adrian Younge selbst hat Songs vom Wu-Tang Clan und Kendrick Lamar produziert. Ali Shaheed Muhammad ist Gründungsmitglied der legendären Hip-Hop-Crew A Tribe Called Quest. Der mittlerweile verstorbene Drummer Tony Allen ist ein Stammvater des Afrobeat. Aus dieser Fülle an Einflüssen destilliert der 18. Eintrag des Labels »Jazz Is Dead« eine berauschende Essenz der »freedom music«. Sie ist reich an Geschmacksnoten: psychedelische Gitarren-Licks, funkige Orgeln, nigerianische Polyrhythmen. Doch all diese Aromen betonen den jazzigen Charakter des Albums. Sein Grundton ist so intensiv, dass Songs teilweise wie Variationen desselben Schemas wirken. Dabei vermeidet das Ensemble geschickt die Fallstricke vieler »Superbands«. Tony Allen ist zwar als Oktopus am Drum-Kit bekannt, hier verankern seine Beats jedoch das Zusammenspiel des Ensembles mit komplexer Zurückhaltung. Der Mix betont die Gleichwertigkeit aller Instrumente. Freiheit lässt sich vielleicht nur in Interaktion mit anderen erfahren. Der Jazz von »JID018« ist jedenfalls eines: souverän.