Er gehört zu den jungen Jazzmusikern Brasiliens, noch keine 30 Jahre alt. Doch der in Recife geborene Pianist Amaro Freitas hat mit seinem dritten Album »Sankofa« wohl endgültig einen Klassiker geliefert. War seine 2018 erschiene zweite Platte »Rasif« eine rhythmisch dichte, pulsierend energische Angelegenheit, könnte man bei den ersten Takten des Titelstücks jetzt meinen, Freitas sei mit seinem Trio in seine reife Phase eingetreten, im Sinne von abgehangenen Tempi und großer Zurückgelehntheit. Stimmt ein bisschen, in »Sankofa« lässt der Musiker aus dem Norden des Landes die Töne lieber perlen, statt sein Instrument in perkussiven Attacken anzugehen. Die kommen später noch, sie wechseln sich bloß mehr mit Phasen der Ruhe ab. Freitas kombiniert seinen Feinsinn einfach stärker dosiert mit der für ihn typischen aufdrehenden Komplexität. Vom harmonisch Zarten bis zum dissonant Heraussplitternden lässt er unterschiedlichste Adrenalinpegelstände aufeinanderfolgen, wobei sich das eine ganz folgerichtig aus dem Vorangegangenen zu ergeben scheint. Brasilianische Traditionen, Modern Jazz, Fusion und dosierte Avantgarde-Beigaben sind bei ihm als Facetten in seiner Musik aufgehoben. Zusammen mit seinem Schlagzeuger Hugo Medeiros und dem Bassisten Jean Elton schafft er dabei Momente von Sanftheit, um im nächsten – oder im selben – Stück plötzlich Polyrhythmikmonster heraufzubeschwören. Der Sankofa ist übrigens ein Symbol westafrikanischer Religionen, ein Vogel mit auf dem Rücken gedrehten Kopf, der sein eigenes Ei auffängt.

Sankofa