Atmosphere haben sich längst irgendwo zwischen Untergrund und Mainstream im Hip-Hop eingependelt. Es muss spätestens 2008 passiert sein, als ihr Album When Life Gives You Lemons, You Paint That Shit Gold erschien. Sie sind diese Partygäste, die auftauchen, hallo sagen und schnell wieder verschwinden. Oder sie bleiben an der Türschwelle stehen, überreichen ihr Geschenk und lassen den Blick neugierig durchs Foyer schweifen, bevor sie umdrehen. Dieses Auf-der-Türschwelle-stehen-bleiben spiegelt sich auch auf ihrem neuen Album Jestures wider.
Darauf bekommt man es mit dem Alphabet zu tun. Jedem einzelnen Buchstaben widmen Slug und Ant aus Minneapolis einen Song. Der erste heißt »Asshole«, der letzte »Zorro«. Selbst die Features weichen nicht von der alphabetischen Reihenfolge ab – zum Beispiel Kurious in »Kilowatts«. Es ist eine simple Idee, die Struktur schafft und das Album zusammenhält. Die Songtexte sind dagegen komplexer. Zumindest handeln sie von zwischenmenschlichen Themen wie Familie, Freundschaft, Liebesbeziehungen oder dem Älterwerden – viel ist dabei.
Slug rappt reflektiert, ohne den Zeigefinger zu erheben oder sich allzu sehr in Sentimentalitäten zu verlieren. Er kann diesen Druck in seine Stimme legen und brutal ehrlich sein wie in »Daley«: »But what do I know/I’m just another functional psycho/Codependent oversensitive control freak/Panic attack while I’m baggin’ up my groceries«. Auch Ant zeigt sich vielseitig. Mal klingt sein Sound atmosphärisch (»Effortless«), mal tropisch (»Really«), mal verträumt (»Velour«). Die Melodien sind eingängig, manchmal so eingängig, dass sie sich dem poppigen Mainstream annähern – nur kurz.

Jestures