Review

Brezel Göring

Psychoanalyse (Volume 2)

Flirt99 • 2022

Erst vor gut einem Jahr verstarb viel zu früh die Stereo-Total-Sängerin Françoise Cactus und nun erscheint das Solodebüt von Brezel Göring, Cactus’ nicht nur künstlerischer Partner. Diese Schaffenskraft im Angesicht eines solch tragischen Verlustes wäre an sich schon respekteinflößend. Aber zudem ist »Psychoanalyse (Volume 2)« tatsächlich ein würdiges wie konsequentes Anschlusswerk an Stereo Total geworden. Nicht nur die typische LoFi-Klangästhetik aus billigen Instrumenten, verhuschtem Gesang und beinahe dilettantischem Schlagzeug erhält Brezel Göring spielend, nein diese zehn Songs sind einfach: charmant und eingängig, teilweise witzig (»Aber wenn ich Mozart hören will, tun meine Nachbarn das auch«), teilweise herzzerreißend. Denn natürlich wird der Verlust und seine Folgen angesprochen, am explizitesten in »Sanfter Wahn« und dem fast schon zu intimen Schluss-Song »Am Ende«. Dazwischen haben aber auch Wut, ironische Brechung und eine Prise Zynismus Platz, wenn Selbstmedikation mit Drogen (»Meine Medizin«), Befreiung durch blinde Zerstörung (»Hol Dynamit«) oder sexuelle Psychopathologie besungen wird. Und wenn im Titelstück dann tatsächlich ein wohl letztes Mal Cactus’ Stimme erklingt, kann sich wahrscheinlich niemand ein wehmütiges Seufzen verkneifen.