Review Jazz

Digital Primitives

Lipsomuch/Soul Searching

Hopscotch Records • 2014

Tape des Jahres 2024

Die einen sagen: Versiertheit, gepaart mit Experimentierfreude. Die anderen sagen: Gewichse. Nun ja: Beide Lager haben Recht. Dass Jazz Masturbation sein kann, lehrte uns David Lynch in seinem Meisterwerk »Lost Highway«. Dass Jazz Meisterwerke hervorbringt, lehren einem die Meister selbst – und Meister in dieser Disziplin wird man wohl dann, wenn man bereits die Komposition und Konzeption von Jazz als Performance begreift. Höchstwahrscheinlich kann man das eh nicht anders bewerkstelligen. Die Musik gewordene Magie z.B., die die Digital Primitives auf ihrem neuen Album »Lipsomuch/Soul Searching« heraufbeschwören, kann man nur an dem richtig messen, was sie entfesselt: Funk mit Punk-Attitüde, siehe »Louminous Gnomes«. Atmosphärische, sensibel-morbide Psychedelica, siehe »India«. Soulige Suspense, siehe »Ballad For Butch« und »Spyzee«. Und kraftvolle, überschwängliche Rock-Ungetüme, siehe »Flat Footing«. Jazz kann enorm viel, wenn man ihn beherrscht – und das tut das amerikanisch-israelische Trio Digital Primitives. Was die Herren anstellen lässt sich bereits an den an ihnen vorgenommen Kategorisierungsversuchen ablesen: Hard-Funk-Blues-Freejazz. Warum nicht. Ich aber sag´s mit Helge: Jazz, Jazz, Jazz. Schön. Irgendwann allerdings zeigt sich so ein Trio auf Albumlänge jedoch etwas limitiert: Es ist und bleibt ein starkes Ding, keine Frage. Wenn das Saxophon aber durchweg dominiert, kann das den Hörgenuss irgendwann überstrapazieren. Wenn dem so sein sollte: Einfach zu Talking In Tounghes skippen. Hier gibt Cooper-Moore mit lässig heruntergezockten Saiten-Improvisationen den Ton an. Schönes Gewichse halt, da sind wir schon wieder. Dass das wichtig und geil ist weiß jeder.

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