Review

Emmanuel Mieville

Ether

Baskaru • 2015

Es sind nicht die einladensten Orte, an die uns Emmanuel Mieville entführt. »Sur le pont«, »Watt Station« und »Island Ferrysm« machen an Orten des Transits Halt, an non places, und entlocken ihnen »Fertile Drones«: ein ewiges Singen von Geistern, die an ihnen zu wohnen scheinen, als falte er es aus einer anderen Dimension in unsere. Anders als Genre-Urvater Luc Ferrari, der von der Musique Concrète ausgehend Field Recordings als musikalisches Material erschloss, um daraus anekdotische Hörstücke zu entwickeln, formt der ausgebildete Tontechniker Mieville seine Aufnahmen (oft in Südostasien, auch auf seinem 2011er Debüt für Baskaru, »For Wandering In Tropical Lands« hier aus Frankreich, Marokko und Hong Kong) zu imaginären, mysteriös uneindeutigen Landschaften, die die Vorstellungskraft des Hörers herausfordern. In ihnen wälzen sich Naturgewalten und Strukturen menschlichen Eingriffs ineinander: Gischt schneidet sich in Gleise, ein Güterbahnhof aus flatterndem Wind lässt einen mit Klingeln im Ohr zurück, irisierend summen Leitungen, eine Familie merkwürdiger Generatoren verschmilzt im unwirtlichen Grau ewigen Niesels in Schwebungen. Am Ende steht eine Fahrt als irgendwo im Winkel verkrochener blinder Passagier, in Bewegung und doch gefangen, inmitten von Maschinen, in deren Dröhnen und Rascheln der Mensch als Fracht verschwindet. Weitab von wolkigem, lichtdurchschimmertem Ambient (den vielleicht der Albumtitel erwarten lässt) hat Mieville hier zu einer Drone-Sprache gefunden, die sich nicht einschmeichelt, die eine rohe Erdverbundenheit in Nachbarschaft von Gilles Aubrys Arbeiten mit Fieldrecordings mit einer symphonischen Abstraktion verbindet. Man kommt nicht mehr daran vorbei: Die eigendynamische und dramatische Intensität, zu der er dabei gefunden hat, ragen in seinem Umfeld heraus – wenn sie nicht gar ein eigenes definieren.

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