Review

Eomac

Spectre

Killekill • 2014

Es gibt eine Sache, die mir immer wieder auffällt, wenn ich meine alten Mayday-Aufnahmen von 1994 durchhöre. Der Technosound damals war roh, rau und dreckig. Im Englischen gibt es dafür den Begriff »grittyness«. Er scheint extra als Synonym für den Rave/Techno der frühen 1990er Jahre erschaffen worden zu sein. Mehr noch ist es aber gerade diese »grittyness«, welche die Essenz von Techno verkörpert(e). Der ungeschliffen, verzerrte, kantige und damit oftmals unglaublich brachiale Klang war es, der die Menschen frenetisch werden ließ, sie an ihre körperlichen und mentalen Grenzen brachte. In den Nullerjahren wurde diese Ungeschliffenheit zugunsten der Ableton-Perfektion aufgegeben. Ergebnis war ein oft glasklarer, entmantelter Techno, dem aber die Wut im Bauch fehlte und nicht selten auch das ganze Herz. Dieser Tage scheint nun endlich ein ernst zu nehmendes Revival der »grittyness« einzusetzen. Von den letzten kantigen Alben von Untold und Actress bis zum New Hardcore von AnD verteilt sich wieder Dreck auf den Festplatten. Eomacs »Spectre« reiht sich in diese Neuentdeckung des Unperfekten ein. Der irische Produzent Ian McDonnell entfesselt die Geister der Vergangenheit und verortet sie in der Jetztzeit. »Spectre« ist dabei nicht nur einfach neu aufgelegter, schnarrender Techno à la Jeff Mills oder Surgeon, sondern ein enorm variationsreicher Rave, der sich von Slow-Mo-Techno und Techstep über Dubstep und Dancehall bis Jungle und auf die Knochen reduzierten Techno aufblättert. In allem findet Eomac den verblichenen Funken dunkler Energie, entzündet ihn und lässt die Explosion sich entfalten. »Spectre« ist ein großartig produziertes Revival, ein verwunderlicher Neuanfang und eine Reise durch verzerrte, düstere Kreise. Es mag an den Zeiten liegen, in denen wir leben. Durchsetzt und paralysiert von aufkeimendem Nationalismus, totaler Überwachung und Transatlantischem Handelsabkommen passt das Glitzern halt nicht mehr. Es ist Zeit für ein wenig Dystopie.

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