Eine Szene wie aus »Eastenders«: Der feixend grinsende Vorstadt-Hipster mit ausgefranstem California Hut, Holzfällerhemd und Schnuppi posiert halbironisch für Instagram mit der Heckenschere, als plötzlich seine Großmutter ins Bild tritt. »Garry, love, tea is ready!«. Die charmante kleine Dame heißt Nora Lilian – und ist Namensgeberin für das neue Album des britischen Produzenten Garry Todd. England, Sydney, Ibiza und wieder von vorn: Die vergangenen sechs Jahre jagte Garry Todd als DJ dem vermeintlich endlosen Sommer hinterher, was sich deutlich in seinem verträumt balerarischen Sound widerspiegelt. Obwohl er selbst seine Inspiration geschichtsbeflissen im House der früher 1990er Jahre, bei Masters At Work und den Happy Mondays der glorreichen Madchester Hacienda-Ära verortet, sieht, ist ihm eine klare Zeitgeistigkeit im modernen Tech House-Sektor nicht abzusprechen. Effektvoll verhallte Vocal-Fetzen, silbrig-flatternde Synthflächen zum Arme ausbreiten, dann endlich die langersehnte Clap – »Nora Lilian« ist klar für den Dancefloor konzipiert und in der verlässlichen Erfüllung von Erwartungen mehr durchlaufendes Set denn Album. Obwohl großartige Überraschungsmomente ausbleiben, zeichnet die 10 Tracks, die von persönlichen Geschichten (»4-2 Nite«), Personen (»Terri-Lee«) und Orten (»Powerplant«) inspiriert sind, durchaus das variantenreiche Zusammenspiel der einzelnen Elemente, narrative Konzeption des Aufbaus und soundtechnische Expertise aus, die das Kennerwissen des jahrelangen Musikfans nicht verleugnen lassen. Und genau darum geht es bei Garry Todd, Fan und Liebhaber bleiben, Spaß am Tanzen haben und Musik auch einfach mal wieder schön finden dürfen, ohne sie mit künstlicher Konzeptualität zu überfrachten.
Christopher Rau
Better Times
Smallville