Review

Harry Pussy

Superstar

Palilalia • 2021

Knapp fünf Jahre lang prügelten Harry Pussy Mitte der Neunziger mit ihrem Noise Rock auf das Trommelfell von jedem ein, der sich traute, sich ihnen bis auf wenige Meter zu nähern. 1993 verpassten sie sich für die 15 Stücke auf »Superstar« das lose Korsett von 30 Sekunden pro Song. So lässt sich im vorbeirauschenden Lärm im ersten Moment kaum eine Struktur erkennen, wenn Adris Hoyos die Drums scheppern und Bill Orcutt die Gitarre kreischen lässt, während beide sich anrauen und in die Welt hinausschreien – für kurze Momente durch Ian Steinberg am Fuzz Accordion unterstützt. Die nicht mal achteinhalb Minuten »Musik« sind wie ein rohes Stück Fleisch, das einem ohne Beilagen auf einem Teller vor die Schnauze gestellt wird. Fasern durchziehen die kurzen Stücke und etwas wildes Animalisches wird beim Hören aktiviert. Das Gehirn arbeitet nicht wirklich, es verlässt sich auf Instinkte. Dem was da 1993 in wenigen Tagen in den Sync Studios in Miami passiert ist, wohnt eine Ehrlichkeit inne, die nicht vorzutäuschen ist. Und auch Humor findet einen Platz, wenn in dem 40-Sekünder »Robert Ranks Reed (alphabetically)« alle Alben von Lou Reed in Sekunden nach dem amerikanischen Schulsystem bewertet werden: »Coney Island Baby? C+!«. Zwischen dem Scheppern der Crashes? Stille, die für Hundertstelsekunden Katharsis verschafft. Sobald auf dem mit 1:18 Minuten längsten Stück »Late« alles bis auf die Gitarre schweigt, ist das selbst auf so einem kurzen Album ein absolut entkräftetes zur Ruhe kommen. Wenn man den Kern von »Superstar« spalten würde, man könnte mehr brutale Energie freisetzen, als manche Bands in ihrer ganzen Karriere aufbringen. Ein YouTube-Kommentar bringt die Quintessenz dieses Höllenritts auf den Punkt: »This is not the best rock&roll band ever, it is the only one.«