Review

Sam Morton

Daffodils & Dirt

XL Recordings • 2024

Die eigene Biografie einsprechen, um sie als Hörbuch zur Verfügung zu stellen, ist das eine. Sie aber musikalisch zu verdichten und einzusingen, kommt dann doch nicht so häufig vor. Die britische Schauspielerin Samantha Morton könnte mit ihrer Story sicher viele Seiten füllen. »It’s pretty messy sometimes«, kommentiert sie ihr Leben auf dem Album, das von XL-Labelchef Richard Russell produziert wurde und voller düsterer und vorsichtiger Downtempo- bis Trip-Hop-Momente steckt und immer wieder an die späten Massive Attack erinnert.

Morton ist heute eine erfolgreiche und oscar-nominierte Schauspielerin. Früher lebte sie auf der Straße oder im Heim, wurde misshandelt und von ihrer Familie immer wieder aufgenommen und weggegeben. Bis heute kennt sie ihre gesamte Geschichte nicht, schrieb aber ihre Erfahrungen auf und schuf ihre eigene Wahrheit. Die entstandenen Songs sind zynische Versionen fiktiver Kinderlieder (»The Little White Cloud That Cried«), Interpolationen bekannter 80er-Jahre-Schnulzen (»Loved By God«, das sich bei »Unchained Melody« bedient) oder beinahe sinnlicher Mitternachtspop (»Let’s Walk In The Night«). Sam Mortons Stimme bewegt sich vorsichtig auf dem schmalen Grat zwischen Singen und Sprechen und ergänzt sich fast perfekt mit den fragilen Beats und der in Schatten geparkten Soundwelt von Russell.