Review

Schnipo Schranke

Rare

Buback Tonträger • 2017

Schnipo Schranke klammern sich auf ihrem zweiten Album an die Grashalme auf einer schon gemähten Wiese; singen ihre Psalmen auf einer Messe, die schon gelesen ist. »Rare« macht sich keine Illusionen und keine falschen Hoffnungen – aber weil man nunmal am Leben ist, geht es trotzdem irgendwie voran. Frederike Ernst und Daniela Reis Texte vor allem eines aus: sie sind gleichzeitig zutiefst aufrichtig und trotzdem zur Selbstdistanz in der Lage. Dadurch sind ihre Stücke nie platt und nie peinlich. Sozialphobien, Antriebslosigkeit, Unfähigkeit, Depression, gescheiterte Liebe und Tod, die Themen auf dem Album sind schwer. Aber mit kleinen Trommeln gespielt, klingt die traurige Botschaft gleich halb so wild. Manchmal auch doppelt so. Die oft naiv-kindlichen Melodien auf minimaler Instrumentierung (Schlagzeug, Keyboard, Synth) transportieren eine Unbedarftheit, die die Texte kontrastiert und sie so auch zugänglicher macht. Und dazu: der Humor. Der funktioniert vor allem, in dem sie Sinnbeladenes dem Ordinären direkt neben anstellen (»Mama, ich hasse dich so sehr. Ich mach’ dir Kapern in dein Müsli«), das ist nah am Leben und weit weg von Allgemeinplätzen. Den oft Regner-esquen Witz muss man aber auch mögen (»ich bin wieder alleine/Zug fährt über Katze/zurück bleibt nur die Leine«), auch die immergleichen Reimschemata und die oft gleich im nächsten Halbsatz folgenden Pointen führen auf Dauer dazu, dass die Spannung etwas abfällt. Schnipo Schranke sind da am stärksten, wo sie am schwächsten sind. Songs wie »Gast« oder »Murmelbahn« gehen unter die Haut. So oder so: glücklich kann man sich schätzen, dass es hierzulande eine solche Band gibt. Denn vielleicht war es selten wichtiger über die eigenen Unzulänglichkeiten zu singen, in einer Zeit, in der jeder nur versucht, diese beim anderen auszuweisen. Und deutscher Pop Tim Bendzko bedeutet.