Seetaucher heulen nachts wie Sirenen über die Seen hinweg – ein schauriger wie faszinierender Klang, der Steve Gunn zu einer musikalischen Widmung der nachtaktiven Vögel (Loon) auf seiner neuen Platte Daylight Daylight verleitete. Die sanft gezupften Gitarrenakkorde des Openers »Nearly There« lassen in der Vorstellung noch Sonnenschein und eine leichte Brise durchs geöffnete Fenster ziehen. In einer anderen Fantasie schwärmt ein zitherspielender Jüngling in einem abgelegenen Waldstück von der Schönheit der Natur.
Dass Gunn in Wahrheit den Tod eines alten Bekannten kurz nach einer zufälligen Begegnung verarbeitet, wird durch die friedlich im Hintergrund pulsierenden Zupf- und Streichinstrumente und den warmen Gesang erst beim zweiten Hinhören deutlich. Die ausgedehnten Streicher und das sehnsüchtige Timbre des Sängers senken den Puls nicht nur, sondern machen empfänglich für einen meditativen Ausflug, der nicht zuletzt dank James Elkingtons feinfühliger Arrangements cinematische Qualität annimmt.
Im titelgebenden Song verdichtet sich diese Wirkung in jenen Streichergesten, die zwischen Zurückhaltung und leisem Unbehagen oszillieren. Nur wenige Monate nach Gunns erstem Instrumentalalbum Music for Writers erzählt Daylight Daylight nicht weniger sanft eine Gute-Nacht-Geschichte mitten am Tag – ohne dabei müde zu machen. Vielmehr stimmt sie optimistisch, dass das Licht am Ende des Tunnels tatsächlich existiert und dieses Album die erhoffte Erdung bringt.

Daylight Daylight