Review Electronic

Telefon Tel Aviv

Fahrenheit Fair Enough

Ghostly International • 2016

Elektronische Musik erlebte in den 1990er Jahren einige Höhepunkte, vor allem aber einen grundlegenden Verfall. IDM war angetreten, um der rasenden Digitalisierung aller Lebensbereiche den Spiegel vorzuhalten und Störsignale durch die glänzenden Oberflächen zu funken. Das gipfelte in der Y2K-Panik, welche sich nur wenige Sekunden nach Mitternacht in Luft auflöste. Es begannen sich derweil mitten aus der Langeweile vor dem Platzen der Dotcom-Blase neue musikalische Wohlklänge zu formulieren, die die neuen elektronischen Lebenswelten mit dem Authentischen zusammenführen wollten. Folktronica wurde die Mischung aus Ableton-Klickerklacker und live eingespielten, verfilterten Gitarren genannt. Eines der Hauptwerke dieser Zeit kam 2001 aus New Orleans und hieß »Fahrenheit Fair Enough«. Dahinter steckte das 1999 gegründete Duo Telefon Tel Aviv, die stoischen Post-Rock mit freundlichen Shoegaze-Elementen und sanften Downbeat-Grooves aus der Mille Plateaux-Perspektive heraus betrachtete. Zwei Alben folgten, dann starb das Gründungsmitglied Charlie Cooper und sein Partner Joshua Cooper legte das Projekt weitestgehend auf Eis, um sich seiner Solo-Arbeit als Sons Of Magdalene zu widmen. 15 Jahre später liegt das bahnbrechende Album nun erneut vor, angereichert ist es mit Archivmaterial beziehungsweise früheren Versionen der bekannten Tracks. Das ist liebenswürdig, vielleicht aber ein bisschen überflüssig. »Fahrenheit Fair Enough« funktionierte als eine Art »E2-E4« seiner Zeit, ein kontinuierlich plinkerndes und ploppendes Gesamtwerk, das wiederum Four Tets Überalbum »Rounds« vorwegzunehmen schien und das Telefon Tel Aviv – mittlerweile von Eustis konsequent reanimiert – selbst nie wieder erreichen konnten. Das Großartige daran war sein bis ins Detail durchgesetzte Perfektionswille – nicht etwa aber der roughe Charakter der acht, von frühem Warp-Material deutlich beeinflussten Beigaben. Das sanfte Flirren optimistischer Zeiten aber hat sich seine Magie auch bewahrt, vielleicht sogar ist es jetzt notwendiger denn je.